WALPURGA HORVATH
Mattersburg (geb. 1923 in Trausdorf)
"Muam, imar Betschiste sam? | Tante, sind wir schon in Wien?"
"Da waren die Wiesen und der schöne Fluss von der
Rosalia bis hinunter zum See, dieser Fluss ist durch
Trausdorf gegangen. Und dorthin sind wir baden gegangen,
wir kleinen Kinder. Dort waren tiefe Gruben,
wo wir uns mit Lehm eingeschmiert haben, und dann
haben wir uns abgewaschen. Und Fische haben wir
auch gefangen, es hat viele Fische gegeben, auch
Krebse, wir sind gegangen und haben sie uns gekocht,
bis unsere Eltern nach Hause gekommen sind. Mein
Bruder Fredi hat Feuer gemacht, und wir haben uns
Kukuruz und Kartoffeln gebraten."
Mri Historija: Walpurga Horvath | 32 S. | DVD 40:27 | Romani/Deutsch
ANTON MÜLLER
Zahling (geb. 1924 in Zahling)
"Es kann nicht schlechter
kommen, als es einmal war"
"Wir sind in Privatlastwägen nach Fürstenfeld transportiert
worden. Dort sind wir in Viehwaggons hineingepfercht
und direkt nach Auschwitz deportiert worden. Das
war im Frühjahr 1943. Meine Mutter hätte nicht mitgehen
müssen, da sie als ‚Arierin’ gegolten hat, aber sie hat uns
nicht fortlassen wollen. Mein Vater hat noch versucht, sie
davon abzuhalten, aber es ist nicht gegangen."
"So ein Hunger hat geherrscht! Ich habe auch
Gras gegessen, man hat ja kaum mehr eines gesehen.
Wie eine Kuh. Als ich herausgekommen bin, habe ich
mir gedacht, ich gehe auf die Wiese und fresse mich voll,
wirklich wahr. So ein Leben war das."
Mri Historija: ANTON MÜLLER | 20 S. | DVD 35:14 | Deutsch
JOHANN BARANYAI † 2008
Heiligenkreuz (geb. 1926 in Heiligenkreuz)
"Dann haben schon die Züge gewartet"
"Bis zu der dritten Klasse bin ich in die Volksschule in
Heiligenkreuz gegangen. Weiter haben wir ‚Zigeunerkinder’
dann nicht mehr in die Schule gehen dürfen. Wir
sind von den anderen Kindern abgeschlossen worden."
"Bei der Aufsicht, darunter waren auch viele
Roma, waren ein paar Kapos, die uns bewacht haben, das
waren gar keine SS-Männer. Die Kapos haben keine Waffe
gehabt, die haben dich mit dem Knüppel erschlagen
oder mit dem Schaufelstiel."
Mri Historija: JOHANN BARANYAI | 20 S. | DVD 41:34 | Deutsch
KARL SARKÖZI † 2007
Zahling (geb. 1928 in Zahling)
"Im Stall sind wir schlafen gegangen und im Stall sind wir aufgewacht"
"Die Roma sind immer im Abseits gestanden, auch bei
den Lehrern in der Schule. Wir haben ja nichts gehabt,
weder Hefte noch sonst etwas. ... Und ob wir etwas gelernt
haben oder nicht, ob wir in die Schule haben gehen
können oder nicht, war den Lehrern egal."
"Als ich nach Buchenwald gekommen bin, waren
wir insgesamt 154.000 Häftlinge, und als ich herausgekommen
bin - ich bin von den Amerikanern ins Lazarett
gebracht worden und habe nur mehr 28 Kilo gehabt -,
waren wir nur mehr 18.000 bis 19.000."
Mri Historija: KARL SARKÖZI | 16 S. | DVD 40:02 | Deutsch
ANTON PAPAI
Holzschlag (geb. 1928 in Holzschlag)
"Draußen im Dorf ..."
"Die Sprache war tot. Jeder glaubte, dass sie uns wegbringen,
wenn wir sie sprechen. Aber sie haben uns so
oder so weggebracht. Und im Lager haben wir dann
wieder angefangen, die Roma-Sprache zu reden. Ich
habe sie schon noch können und dann habe ich sie bis
zum 19. Lebensjahr gesprochen. Dann ist der Bub geboren
worden und ich habe gesagt: ,So, jetzt ist Schluss
mit der Roma-Sprache!’"
"Ach, Gott ... wo ist Gott geblieben, wo? Wieso
hat er zugeschaut, wofür? Ich weiß nicht, ob das veröffentlicht
wird, es ist mir auch egal. Aber ich glaube
nicht mehr an Gott! Er hätte nicht zugesehen. Da hat er
sich nicht nach vorne getraut, da hat er sich versteckt."
Mri Historija: ANTON PAPAI | 20 S. | DVD 42:05 | Deutsch
ADOLF PAPAI
Oberpullendorf (geb. 1931 in Langental)
"Te o Del te na del, hot afka te al, sar sina | Möge Gott
geben, dass es nicht mehr so wird, wie es war"
"Die Roma waren arm, aber Gott sei Dank, kann man
sagen, dass es nicht so war wie heute, dass jemand einen
anderen wegen des Geldes ermordet und das alles. Ich
sage so, ich danke Gott und den Roma, dass sie nicht so
sind, nicht so schlechte Leute, als die wir von den anderen
gesehen werden."
"Wir können Gott und den Russen danken, dass
die so schnell gekommen sind und einige von uns überlebt
haben, dass sie nicht so viele Öfen gehabt haben,
dass überhaupt noch welche überlebt haben. Wenn
es noch ein Jahr gedauert hätte, wäre von uns keiner
mehr auf der Welt."
Mri Historija: ADOLF PAPAI | 28 S. | DVD 33:09 | Deutsch/Romani
WILHELM HORVATH
Oberpullendorf (geb. 1934 in Langental)
"Buona sera, Maestro!&"
"Auffallend war, dass die burgenländischen Roma alles
spielen konnten: Strauß-Walzer, Märsche usw. Die ungarischen
Musiker haben nicht dieses Repertoire gehabt.
Noch heute ist es so."
"Ich habe viele der großen amerikanischen Schauspieler
kennen gelernt: Lex Barker, Cary Grant und Tony
Curtis. Es existiert sogar ein Foto von mir und Tony Curtis.
Seine Tochter war damals noch ganz klein, sie ist neben
mir gesessen, wo ich gespielt habe. Ich habe viele große
Dirigenten getroffen: den Lovro von Matacic, den Herbert
von Karajan, viele. Wenn ich die Bilder alle aufstellen
wollte, müsste ich das Haus nochmals vergrößern."
Mri Historija: WILHELM HORVATH | 16 S. | DVD 39:05 | Deutsch
JÁNOS HORVÁTH
Rönök/Ungarn (geb. 1940 in Kukmirn (?))
"Me na ladschav man, oda mri familija te dschanel | Ich schäme mich nicht, das soll meine Familie wissen"
"Es hat Armut geherrscht, auch meine Schwester ist
verhungert. Ich muss es sagen, wie es ist. Es hat nichts
zu essen gegeben. Sie haben nur geschossen, und die
großen Panzer sind gekommen, weißt du, und wir haben
nicht hinausgehen können, nirgendwohin, um Essen
für sie zu besorgen."
"Ich sage, hier gibt es auch Gute: Einer kommt
oft zu mir herüber, setzt sich nieder, ich gebe ihm einen
Kaffee. Ich kann nichts Schlechtes sagen. Jetzt ist das
Zusammenleben mit den Gadsche ganz gut. Es gibt
zwar solche, die auf einen böse sind. Aber gegen mich
selber hat keiner etwas. "
Mri Historija: JÁNOS HORVÁTH | 20 S. | DVD 24:12 | Deutsch/Romani
KOLOMAN BARANYAI
St. Margarethen (geb. 1941 in Katzelsdorf/NÖ)
"Me Rom som taj ojs Rom mera | Ein Rom bin ich und als Rom werde ich sterben"
"Die Bassgeige ist der Grundstock der ganzen Band. Die
Bassgeige ist es, die den Primas trägt, sie gibt ihm den
Untergrund. Die Bassgeige ist der Grundstock. Das kann
man mit dem Hausbauen vergleichen: Wenn du heute ein
Haus baust, machst du zuerst das Fundament, und dann
erst kannst du ein Haus bauen."
"Für mich bedeutet die Roma-Musik mein ganzes
Leben. Das ist mir ins Herz gewachsen. Wenn ich Roma-
Musik höre, das ist mein Leben."
"Ein Rom bin ich und als Rom werde ich sterben - ich werde
es niemals verleugnen. Die Roma-Sprache ist mein Leben."
Mri Historija: KOLOMAN BARANYAI | 24 S. | DVD 18:12 | Deutsch/Romani
RUDOLF SARKÖZI
Wien (geb. 1944 in Lackenbach)
"Das Wort ’Wiedergutmachung’ verwende ich nicht"
"Noch heute höre ich die Gespräche, wenn unsere Leute
zu besonderen Anlässen zusammengetroffen sind, Weihnachten,
Ostern, wenn sie sich gefragt haben, ob der eine
oder andere aus der Familie noch lebt, die Großeltern, die
Geschwister. Das war das Bitterste für meine Mutter und
die Verwandten. Viele sind plötzlich als die einzigen
Überlebenden von einst großen Familien dagestanden."
"Diese so genannte ‚Entnazifizierung’ hat den Eindruck
vermittelt, als wären alle Taten Kleinigkeiten gewesen."
"Als ich 15 oder 16 Jahre alt war, hat es keine
Roma-Mädchen im gleichen Alter gegeben. Die sind alle
viel später geboren, denn die im KZ geboren worden sind,
waren nur wenige, und mit denen waren wir selber verwandt.
Es hat keine Auswahl gegeben."
Mri Historija: RUDOLF SARKÖZI | 20 S. | DVD 32:23 | Deutsch
JOSEF HORWATH
Kleinbachselten (geb. 1944 in Kirchberg/NÖ)
"Es nicht zu verschweigen, das ist das Wichtigste"
"Damals war es nicht so einfach, zu einem Gewerbeschein
zu kommen. Es hat einem die Bezirkshauptmannschaft
einfach immer Stolpersteine in den Weg gestellt. Und so
habe ich dann sogar dem Bundeskanzler Kreisky einen
Brief geschrieben, und der hat mir ein Fürschreiben geschickt,
und nach drei Wochen habe ich dann schon einen
Gewerbeschein gehabt. Dann ist es schnell gegangen."
"Ja, klar sind viele weggegangen und haben verschwiegen,
dass sie Roma sind. Damit sie es dort leichter
haben. Ich habe das aber nie gemacht. Wenn mich
einer gefragt hat, ob ich ein Rom bin oder welcher Abstammung
ich bin, habe ich gesagt: ’Ich bin ein Zigeuner!’
Das habe ich immer zugegeben!"
Mri Historija: JOSEF HORWATH | 20 S. | DVD 27:30 | Deutsch
MARGARETHE BARANYAI
Deutsch Kaltenbrunn (geb. 1947 in D’Kaltenbrunn)
"Die Worte ’dreckiger Zigeuner’ haben mich immer fast umgebracht"
"Wenn meine Mutter im Dorf war, hat sie jedes Mal auf
dem Heimweg geweint, wenn sie nur die Gesichter angesehen
hat von den Leuten, die so grauslich zu ihnen
waren. Sie hat gleich mit jedem zu streiten angefangen,
sie hat das nicht verkraften können, sie ist daran gestorben.
Bis zuletzt hat sie von den Leuten so erzählt. Die
sind alle so arm gestorben, das kann sich niemand vorstellen,
wie arm die gestorben sind."
"Ich habe ein hartes Leben gehabt. Ich habe
gearbeitet wie ein Vieh, und ich habe einen Hungerlohn
bekommen, ich habe nicht das bekommen, was mir
zugestanden wäre. Ich habe keine 5.000 Schilling im
Monat verdient und das Haus zum Zurückzahlen gehabt,
da habe ich müssen jeden Monat 5.000 Schilling
zurückzahlen."
Mri Historija: MARGARETHE BARANYAI | 16 S. | DVD 29:55 | Deutsch
KARL HORVATH
Mattersburg (geb. 1950 in Eisenstadt)
"Hände, die nicht nur zur Arbeit dir dienen"
"Ich habe mir das immer so vorgestellt, dass ich, wenn
ich eine Ausstellung mache und mich von hundert Leuten
einer versteht, zufrieden bin, weil für die Masse kann man
so etwas nicht machen. Es braucht Menschen, die ein
Verständnis haben, nicht unbedingt Kunstverständnis,
aber allgemein ein Verständnis für den Menschen."
"Wenn du einen langen Gang ansiehst mit einer
Tür, und ich öffne die Türe und sehe in die Vergangenheit,
dann sehe ich, was Schlimmes in der Vergangenheit passiert
ist. Das soll man nicht vergessen. Hin und wieder
sollte man die Tür aufmachen und hineinblicken, dass man
wieder auf den Boden der Tatsachen zurückfindet, aber
man sollte sie wieder zumachen, so schnell wie möglich."
Mri Historija: KARL HORVATH | 16 S. | DVD 25:36 | Deutsch
JOHANN BARANYAI
Gritsch (geb. 1953 in Gritsch)
"Aber jetzt finde ich es gut,
dass wir unsere Kultur hochhalten "
"Mein Vater hat fünf oder sechs Geschwister gehabt, und
eine einzige Schwester ist zuhause gestorben - noch vor
dem Krieg. Seine Eltern, Geschwister, Onkel und Tanten,
es waren sehr viele, sind alle ermordet worden."
"Meine Eltern haben zwar darüber gesprochen, aber
immer wieder haben sie abgeblockt. Sie haben darüber
nicht reden können. Sie haben es nie verkraftet. Wir als
Kinder sind nicht so richtig mitgekommen, was sie da mitgemacht
haben."
Mri Historija: JOHANN BARANYAI | 16 S. | DVD 23:09 | Deutsch
LUDWIG HORVATH
Oberwart (geb. 1955 in Oberwart)
"Miteinander reden, das wäre mein Wunsch"
"Meine Kindheit war wunderbar. Wir haben machen
können, was wir wollen haben, vieles, was man heute
nicht mehr darf. Die Kinder haben miteinander gespielt
und zusammengehalten. Die alten Roma haben den
Zusammenhalt vorgelebt."
"Die Sonderschulproblematik hat ja auch damit
zu tun gehabt, dass damals kein Roma-Kind in Oberwart
im Kindergarten war. Die Gemeinde hat daran kein Interesse
gehabt, und wir Roma haben uns gedacht, das
wäre normal, Roma-Kinder würden nicht in den Kindergarten
gehen. Geändert hat sich das erst mit dem Anschlag
1995. Seitdem hat sich alles geändert."