„Carmen“ im Berliner Gorki-Theater

Februar 1st, 2025  |  Published in Film & Theater, Musik

Carmen (© Ute Langkafel MAIFOTO)Gorki Theater in Berlin | Nach Georges Bizet und Henri Meilhac, Ludovic Halévy | Regie: Christian Weise | Musikalische Leitung und Arrangements: Jens Dohle | Mit Texten von Riah Knight, Lindy Larsson

Die britische Sängerin, Songwriterin und Schau­spiele­rin Riah Knight, die das Gorki-Pub­li­kum seit ihrem Auftritt 2017 in Roma Armee immer wieder be­geistert, schreibt über Carmen: „Die Roma-Gemeinschaft hat eine toxische Beziehung zu Carmen: Als eine unse­rer wenigen Ikonen, die die Jahr­hun­derte über­dauert haben, erfüllt sie jedes Stereo­typ, das jemals über uns Roma kur­sierte. Sie ist gewalt­tätig, rüpelhaft, un­gezähmt, heiß­blütig, leiden­schaftlich, diebisch, tanzt und singt sich als schwarz­haarige Femme fatale bar jeder Moral in die Betten der Männer. Und doch wird sie geliebt. Sie ist eine Wider­stands­figur, ein Symbol der Freiheit gegen die Kon­formi­tät, eine Ver­weige­rung der Opfer­rolle. Und letz­tlich das Porträt einer Frau, die ihrer Zeit voraus war.“

Am Gorki wird nun eine neue »Carmen« in einer einzi­garti­gen Dar­bietung von Lindy Larsson zu sehen sein. Larsson be­geisterte genau wie Knight bereits in Roma Armee. In der In­szenie­rung von Christian Weise wird Carmen zu einem queer-in­ter­sektio­na­len und burles­ken Stück Musik­theater. Ein neues musikali­sches Arrange­ment von Jens Dohle mit dem bedeu­ten­den Akkor­deonis­ten Dejan Jovanović re-appro­pri­iert die durch Bizet an­nek­tierten Elemente der Roma-Kultur und führt diese auf ihre Ent­stehungs­kon­texte zurück.

Spätestens seit der Uraufführung der Oper von Georges Bizet im Jahr 1875 ist die Titel­­heldin Carmen welt­­be­rühmt. Basie­­rend auf der gleich­­namigen Novelle von Prosper Mérimée schufen die Libret­tisten Henri Meilhac und Ludovic Halévy ein auf­wühlen­des tragisches Spiel um Leiden­schaft, Liebe und Macht. Die begehrte und selbst­be­wusste Romni und Fabrik­arbeite­rin Carmen be­gegnet in Sevilla dem Soldaten Don José, dessen Fas­zination für sie ob­sessive Züge an­nimmt. Doch Carmen lässt nicht über sich verfügen. Als sich Don José in seiner männ­lichen Ehre verletzt fühlt, ermordet er sie. Die Oper löste 1875 einen Skandal aus. Nicht nur wegen ihrer realis­tischen Milieu­dar­stel­lung mit Solda­ten, Arbei­ter*innen, Schmugg­ler*in­nen und Flamenco­tän­zer*in­nen, die sich auf der bürger­lichen Bühne ein­fanden. Die Titelfigur selbst, ins­beson­dere Carmens Freiheits­drang, faszinierte und pro­vo­zierte zugleich das Publikum, beson­ders, weil sie die patri­ar­chale Ordnung störte. Letzt­endlich wurde Carmen aber wegen ihrer über­ragenden musika­lischen Qualität und der mit­rei­ßen­den Handlung zur meist­ge­spielten Oper der Welt.

Nach Alles Schwindel setzt das Produk­tions­team um Regis­seur Christian Weise die Tra­dition der Musik­theater­abende am Gorki fort und stellt das Genre der Opéra-comique in den Vor­der­grund. Ein neues Arrange­ment spürt den von Bizet musika­lisch ver­wobenen Genres, Referen­zen und kultu­rellen An­eignun­gen nach.

(Text: Gorki Theater)

Siehe auch:
The Berliner, 16.1.2025: “We don’t have to live by this normative structure”: How Riah Knight is deconstructing Carmen. Romani actress Riah Knight reinterprets Georges Bizet’s ‘Carmen’, challenging the opera’s harmful stereotypes and reclaiming the narrative.

Comments are closed.