Protestantismus und Antiziganismus

November 29th, 2024  |  Published in Einrichtungen, Geschichte & Gedenken, Rassismus & Menschenrechte, Religion, Wissenschaft

Bischöfin Bosse-Huber (Foto: Conf. of European Churches)Die Evan­gelische Kirche in Deutschland (EKD) will die Geschichte von Protestantis­mus und Anti­zi­ga­nis­mus unter­su­chen. Dazu hat sie ein Son­der­sti­pen­di­um zur wis­sen­schaft­li­chen Er­for­schung aus­ge­schrie­ben.

Seit einigen Jahren engagiert sich die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) im bundes­weiten „Netz­werk Sinti Roma Kirchen“, einem Zu­sam­men­schluss aus kirchlichen und reli­giö­sen Gemein­schaften und bundes­weiten und regiona­len Struk­turen von Sinti und Roma. Mit dem Zentral­rat Deut­scher Sinti und Roma hat die EKD eine enge Zu­sammen­arbeit ver­einbart; diese wurde im ver­gangenen Jahr an­lässlich des 40. Jahres­tags der Gründung des Zentral­rates mit einer Erklärung und einem gemein­samen Gottes­dienst im Berliner Dom be­kräftigt.

Darin heißt es: „Gemeinsam mit Angehörigen der Minderheit von Sinti und Roma wollen wir der Dis­kriminie­rung im Alltag von Kirche und Gesell­schaft und gruppen­be­zo­gener Men­schen­feind­lich­keit insgesamt entgegenwirken. Dazu bedarf es der Aus­einan­der­setzung mit der bis in die Gegen­wart reichen­den Schuld­geschichte der Kirchen und der un­beding­ten kritischen Über­prüfung von theolo­gischen und kirchlichen Denk­mustern und Prägungen.“

Vor diesem Hintergrund hat die EKD jetzt ein Sonderstipendium aus­ge­schrie­ben, das der wissen­schaft­lichen Unter­suchung der Geschichte von Anti­ziganis­mus und Pro­testan­tis­mus dienen soll. Das Projekt ist in der Kirchen­geschichte an­gesiedelt und zielt auf die Beleuch­tung bisher unter­schätzter Aspekte kirch­licher und diakonischer Praxis, z. B. Seelsorge, Jugend­hilfe, Gemeinde­alltag, aber auch Kol­labora­tio­nen der Kirchen in der NS-Zeit, Umgang mit der Minder­heit in der Nach­kriegs­zeit sowohl in West- wie Ost­deutschland.

„Wir erhoffen uns von einer solchen Forschungsarbeit, die nur ein Anfang sein kann, dass wir uns unse­rer eigenen blinden Flecken in der Geschichte und Gegen­wart unserer Kirchen be­wusster werden. Die Schuld­geschichte der Kirche an den Mit­gliedern der ver­folgten Minder­heit ist groß. Sie reicht vom Weg­schauen bis zum Verrat und zur aktiven Beteili­gung an der Ver­folgung. Durch das Ver­schweigen der eigenen Taten und des Leides der Opfer und ihrer Nach­kommen hat sich dieser Verrat in den folgen­den Jahr­zehnten fort­gesetzt“, erläutert Aus­lands­bischöfin Petra Bosse-Huber das jetzige Vor­haben, das gemein­sam mit dem Zentralrat, dem Doku­menta­tions- und Kultur­zentrum Deutscher Sinti und Roma, dem Netz­werk Sinti Roma Kirchen und der Evange­lischen Akademie zu Berlin ver­ant­wortet wird.

„Als Kirche müssen wir uns klar machen, dass auch bei uns – und oft genug bis heute – anti­ziganis­tische Stereo­typen un­reflektiert weiter­ge­tragen werden. Damit werden An­ge­hörige der Minderheit fort­während in ihrer Würde verletzt“, so Bischö­fin Bosse-Huber. „Wir hoffen sehr, dass die Er­gebnisse der Unter­suchun­gen ein weiterer wichtiger Schritt hin­sicht­lich des Ver­lernens von anti­ziganis­tischen Prä­gungen sein werden.“

Nähere Informationen zum Sonderstipendium unter www.eaberlin.de.

Die Be­wer­bungs­frist endet am 15.1.2025.

(Text: EKD)

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