Gedenkorte: Serie von Vorfällen in Deutschland

Oktober 24th, 2024  |  Published in Geschichte & Gedenken, Rassismus & Menschenrechte

Ein weiterer Angriff auf das Gedenken an den Völkermord an den Sinti und Roma in Deutschland: die nunmehr zerstörte Gedenktafel in der Frankfurter Kruppstraße (Bild: Förderverein Roma)Antiziganistische Schmierereien an der Ge­denk­tafel Krupp­stra­ße in Frank­furt a. M.

In der letzten Woche (Anm.: KW 41) wurde die Gedenktafel für die wäh­rend des National­sozialis­mus inter­nierten Sinti und Roma im Zwangs­lager Kruppstraße in Frank­furt anti­ziganis­tisch be­schmiert. Diese Tat ist sowohl ein Angriff auf die Erin­nerung an die Opfer des National­sozialis­mus als auch ein Angriff auf die grund­le­gen­den Werte einer Demo­kratie, wie Gleich­heit, Toleranz und Men­schen­würde. Die Frank­furter Bürger­meis­terin Dr. Nargess Eskandari-Grün­berg be­zieht Stellung: „Wir als Stadt ver­urteilen diese Ver­schande­lung von diesem so wich­tigen Ort und hoffen, dass die Ver­ant­wortli­chen gefunden werden. Es ist auch ein Ort, an dem auf­grund starken bürger­schaftli­chen Engage­ments eine Gedenktafel auf­gestellt wurde — umso wich­tiger ist die Auf­arbei­tung solcher Vor­fälle.“

Die Gedenktafel an der U-Bahn-Station Kruppstraße wurde im Jahr 1994 auf Initiative des Hessischen Landes­verbands Deutscher Sinti und Roma in der Krupp­straße an­gebracht. Sie soll die Öffent­lic­hkeit an das nahe gelegene ehe­ma­lige Zwangslager und die vor Ort be­gang­enen Verbrechen erinnern und mahnen.

Rinaldo Strauß, stellvertretender Geschäftsführer des Hessischen Landes­ver­bandes Deutscher Sinti und Roma, verurteilt die Tat: „Der Rechts­staat muss dafür Sorge tragen, dass die Ver­antwort­lichen zur Rechen­schaft gezogen werden. Dies ist er den Opfern des Völker­mordes schuldig. Meine Mutter war selbst im Lager in der Krupp­straße inter­niert und es schmerzt mich daher beson­ders, dass es noch immer Menschen gibt, die das Leid und den Schmerz der Opfer und deren Nach­fahren recht­fertigen und ver­harmlosen.“

Diese Tat reiht sich ein in eine Serie von Beschädigungen und Be­schmutzun­gen von Orten der Erinnerung mit anti­ziganistischem Motiv. Bereits im letzten Jahr wurde eine Skulptur aus Holz und Metall, die an das Zwangslager in der Krupp­straße erinnert, von Un­be­kannten um­geworfen. Erst vor zwei Wochen kam es auf dem Darmstädter Wald­friedhof zu Verwüs­tungen mehrerer Grabstellen von u. a. Gräbern Über­­lebender des Völkermords und deren Nachfahren (dROMa berich­tete). Aber nicht nur in Hessen, sondern auch in anderen Bundes­ländern kommt es immer wieder zu Vorfällen dieser Art. So wurde im Mai in Flensburg ein Mahnmal demo­liert, welches der Zwangs­um­siedlung und Deportation der Flens­burger Sinti und Roma während des National­sozialis­mus gedenkt (dROMa berich­tete). Solche Vorfälle sind Ausdruck eines noch immer tief sitzenden Anti­ziganis­mus in der Gesell­schaft. Sie ver­deutlichen die Not­wendig­keit von Bildung und Auf­klärung über das Thema.

Joachim Brenner, Vorstand des Fördervereins Roma e. V., macht deutlich: „1233 Vorfälle sind für das Jahr 2023 von der Melde- und Infor­mations­stelle Antiz­iganis­mus (MIA) doku­mentiert worden. Die Haken­kreuz-Schmie­re­rei­en im ‚Iduna Zentrum Göttingen‘, wo Roma-Flücht­lin­ge leben, reihen sich in die Schändung der Gedenk­stätten und Mahnmale, in die täg­liche Ablehnung und Ver­achtung und schließ­lich in die Morde im Olym­pia-Ein­kaufs­zentrum in München und in Hanau ein. Der Schutz von Roma und Sinti steht hier ebenso im Vorder­grund wie die Ver­folgung und Ahndung der Täter.“

Das städtische Zwangslager in der Kruppstraße diente von 1942 bis 1945 der Internierung von Sinti und Roma und löste damit das 1937 bis 1942 betriebene Zwangs­lager in der Dieselstraße ab. Die Stadt­ver­waltung pferchte dort die in Frankfurt leben­den Sinti und Roma nach rassisti­schen Kriterien mit dem Ziel ein, sie letzt­lich ganz aus dem Stadt­gebiet zu ver­treiben. Später wurde das Lager zu einem Sammel­ort für ver­schie­denste Men­­schen aus dem gesamten Rhein-Main-Ge­biet. Von den ca. 180 inter­nierten Sinti und Roma im Lager wurden mehr als die Hälfte im März 1943 nach Auschwitz deportiert.

Der Hessische Landesverband hat bereits Anzeige erstattet. Die Melde- und Infor­ma­tions­stelle Anti­ziganis­mus Hessen (MIA Hessen), eine Ko­ope­ration des Hessi­schen Landes­­verbandes Deutscher Sinti und Roma und des Förder­verein Roma zur Er­fassung, Dokumen­tation und Aus­wertung antiziganistischer Vorfälle, hat den Fall zur Bearbeitung auf­ge­nommen. Die Stadt Frankfurt hat Maßnahmen ergriffen, um die Schmiererei zu entfernen. Zudem wird ein Aufruf an die Bevöl­kerung ge­richtet, Hinweise auf mögliche Tä­ter*in­nen bei der Polizei zu melden. Für weitere Infor­matio­nen oder Rück­fragen wenden Sie sich gerne an den Hessi­schen Landes­ver­band: verband@sinti-roma-hessen.de  bzw. Tel.: 06151-377740, er­reich­bar von Mo-Do 10–16 Uhr, Fr 10–14 Uhr.

(Text: Presseaussendung des Hessischen Landesverbands)

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