Forschungsvorhaben in Schleswig-Holstein

Juni 3rd, 2024  |  Published in Einrichtungen, Geschichte & Gedenken, Wissenschaft

Forschungsprojekt in Deutschland: Die Flensburger Sinti-Familie Weiß wurde 1940 deportiert (Bild: Museum Flensburg) Europa-Universität Flensburg: Die For­schungs­stelle für re­gio­na­le Zeit­geschichte und Public History er­forscht grund­ständig die Geschichte der Sinti und Roma im Na­tio­­nal­so­zia­lis­mus und in der Nach­kriegs­zeit.

Laufzeit: 1.12.2023 bis 30.11.2025

Im Januar 2022 hat der Schleswig-Holsteinische Landtag ein­stimmig be­schlossen, die Geschichte der Sinti und Roma in Schles­wig-Hol­stein, ins­beson­dere zu Ver­folgung und Ver­treibung im National­sozialis­mus, auf­zu­arbeiten. Im Dezem­ber 2023 ist der Start­schuss für die wissen­schaftliche Unter­suchung des Themas durch die For­schungs­stelle für regio­nale Zeit­geschichte und Public History der Euro­pa-Uni­ver­sität Flensburg ge­fallen.

Forschungsstelle

Den Zuschlag für das Projekt hatte die Forschungsstelle im Oktober 2023 er­halten. Gegen­stand des For­schungs­pro­jekts ist die Ge­schichte der Sinti und Roma in Schles­wig-Hol­stein im 20. Jahr­hundert, mit dem Schwer­punkt auf der NS-Zeit und deren Bewäl­tigung nach 1945. Der Fokus des Projekts liege nach Auskunft der For­schungs­stelle auf der Er­schlie­ßung aller Ent­schädi­gungs- und Wieder­gut­machungs­ver­fahren, die in Schles­wig-Hol­stein im Hinblick auf Sinti und Roma geführt wurden. Weitere Arbeits­felder des Projektes seien die Durch­führung von narra­tiven Interviews mit Nach­kommen der Überlebenden, die Erstellung einer Auf­listung regionaler Über­lieferun­gen in Schles­wig-Holstein und die Durchführung einer exempla­ri­schen Zeitung­sanalyse, um ins­beson­dere die Kon­tinui­täten des Anti­ziganismus zu analy­sieren.

Abschlussbericht für November 2025 erwartet

Projektleiter ist der Direktor der Forschungsstelle für regionale Zeitgeschichte und Public History, Prof. Dr. Marc Buggeln. Am Projekt wirken darüber hinaus die wissen­schaft­lichen Mit­arbeiter Dr. Sebastian Lotto-Kusche und Melanie Richter-Oertel sowie studen­tische Hilfs­kräfte mit. Die For­schungs­stelle wird bis zum 31. Oktober 2024 einen Zwischen­bericht fertigen. Der Abschluss­bericht soll dann bis zum 30. November 2025 vorliegen. Die For­schungs­stelle untersucht und ver­mittelt seit Jahr­zehnten die Geschichte des National­sozialis­mus und dessen Nach­geschichte in der Region.

Es ist höchste Zeit

Die Präsidentin des Schleswig-Holsteinischen Landtages, Kristina Herbst, zeigte sich erfreut, dass die wissen­schaft­liche Arbeit nach der Vergabe des Auftrages an die Flens­burger Uni­versität jetzt beginnen kann. „Die Unter­suchung des Themas durch Professor Buggeln und sein Team ist wichtig, um Wissen zu gene­rieren und dieses Wissen der Öffent­lich­keit zu­gänglich machen zu können“, betonte Herbst. „Es ist höchste Zeit, dass die Ver­folgung und Ver­treibung der Sinti und Roma jetzt umfassend wissen­schaftlich auf­ge­arbeitet wird“, ergänzte die Landt­ags­präsidentin.

Begleitung durch einen Beirat

Das Forschungsprojekt wird von einem Beirat begleitet, der sich Anfang Februar 2023 im Landtag konsti­tuiert hat. Dem Beirat gehören die Landtags­ab­ge­ord­neten Uta Wenzel (CDU), Eka von Kalben (Bündnis 90/Die Grünen), Birte Pauls (SPD), Dr. Heiner Garg (FDP) und Jette Waldinger-Thiering (SSW) an. Ver­treter des Landes­ver­bandes deutscher Sinti und Roma im Beirat sind Matthäus Weiß und Rolf Schlotter. Für die Sinti Union Schles­wig-Ho­lstein wirken Kelly Laubinger und Marlo Thormann im Beirat mit.

Vorurteile immer noch verbreitet

Die Vorsitzende des Beirats, die Abgeordnete Birte Pauls (SPD), begrüßte den Projektstart. „Die Auf­arbeitung der furcht­baren und men­schen­ver­achten­den Ver­folgung und des Völker­mordes an Sinti und Roma ist wichtiger denn je. Die Ver­nichtung ganzer Familien lässt die Nach­kommen bis heute schweigen und still sein: Nicht weil sie nichts erzählen könnten, sondern weil weiterhin diese un­erträg­liche Angst vor­herrscht, dass sich Geschichte wieder­holen könnte“, sagte Pauls. „Das Schlimmste ist, dass das leider nicht un­begrün­det ist. Anti­ziganismus hat sich über Jahr­hunderte in der europäi­schen Geschichte ent­wickelt, hat seinen menschen­ver­achten­den Höhe­punkt im National­sozialis­mus gefunden und ist bis heute tief in unserer Gesell­schaft verwurzelt. Vor­urteile sind im Umgang mit An­gehörigen der Sinti der Roma immer noch weit verbreitet. Die an­dauernde Diskrimi­nierung prägt heute nach wie vor den Alltag der Familien, deren Angehörige oft seit Jahrhunderten in Schleswig-Holstein leben. Deshalb sind die Aufarbeitung und die Wissens­ver­mittlung dieses grau­samen Kapitels unserer Geschichte so wichtig“, so die Beiratsv­ors­itzende ab­schließend.

(Text: Univ. Flensburg)

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