Rassismusvorwurf: „Lagebild zur Clankriminalität“

Juli 9th, 2023  |  Published in Politik, Rassismus & Menschenrechte, Recht & Gericht

Lagebericht zur Clankriminalität 2022 (Grafik auf dem Cover des Berichts)Eine Frage der Abstammung? Zentralrat Deutscher Sinti und Roma kritisiert „Lage­bild zur Clan­kri­mi­na­li­tät 2022 in Nie­der­sachsen“

Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, kriti­siert, dass im „Lagebild zur Clan­krimina­lität 2022 in Niedersachsen“, das am 26. Juni dieses Jahres von der nieder­säch­si­schen Innen­ministerin Daniela Behrens und der Justiz­minis­te­rin Dr. Kathrin Wahlmann vor­ge­stellt wurde, Eigen­tums­­delikte von den Er­mitt­lungs­­behör­den zu einer Frage der Ab­stam­mung dekla­r­iert wurden, indem sol­che Taten einer „kriminellen Groß­familie aus der Ethnie der Roma“ zu­geschrie­ben wurden.

„In dem Lagebericht werden auch Vorwürfe wie der Diebstahl von Kleidung und Mobil­tele­fonen erhoben, die zu schreck­lichen Alltags­erfah­run­gen in vielen Ge­schäften und Kauf­häusern gehören und hohe Schäden ver­ur­sachen“, stellte Romani Rose klar. „Der Zentralrat Deut­scher Sinti und Roma kritisiert, dass in diesem Lage­bild Straftaten, die selbst­ver­ständ­lich verfolgt und ver­urteilt werden müssen, im Falle unse­rer Minder­heit zu­sätzlich mit der Ab­stammung und in Ver­bindung mit Clan­kriminalität aus­ge­wiesen werden. Der Zentral­rat Deut­scher Sinti und Roma sieht darin eine Fort­setzung der rassis­tischen und anti­ziganis­ti­schen Erfassung, die trotz der leid­vollen Geschichte un­serer Minder­heit und trotz des Verbots in unserer Ver­fassung wider­recht­lich weiter­betrie­ben wird“, er­klärte Romani Rose.

„Dadurch werden deutsche Sinti und Roma ausgegrenzt, stigmatisiert und kri­mi­na­li­siert und in den Fokus von Clan­kriminalität gerückt, die in der Wahr­nehmung der Öffent­lich­keit mit Schwerst­kriminalität in Ver­bindung steht. Diese Form von Kriminalisierung ge­gen­über unserer Minderheit gibt den Rechts­extremen die Munition zur Recht­fertigung ihrer Gewalt­taten, wie sie schon sehr oft gegen­über unserer Minder­heit ausgeübt wurden“, er­gänzte Rose.

Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, wird sich an die nieder­sächsi­sche Innen­ministerin Daniela Behrens wenden, um eine Be­endigung jeglicher Form der rassisti­schen Erfassung in der polizei­li­chen Ermittlungs­arbeit zu fordern und um die Sorgen und Ängste der Minder­heit der Sinti und Roma an­gesichts von zu­nehmen­dem Antiziganismus und neuem Natio­nalismus zum Aus­druck zu bringen.

Im Januar 2023 unterzeichnete der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma eine gemeinsa­me Erklärung gegen Anti­ziganis­mus mit dem Bundes­kriminal­amt. Darin wurde auch das Ziel vereinbart, „jegli­cher Dis­kriminie­rung von An­gehörigen der Minder­heit in- und außer­halb der polizeilichen Arbeit ent­gegen­zu­wirken und den gesell­schaft­lichen Anti­ziganis­mus wirk­sam zu be­kämpfen“.

Die von der Bundesregierung im Jahr 2019 eingesetzte „Unabhängige Kommission Anti­ziganismus“ hatte in ihrer um­fassenden Studie, die 2021 ver­öffent­licht wurde, detail­liert auf­­gezeigt, dass es bis heute vielfältige Hinweise für eine fort­gesetzte und syste­matische Dis­kriminie­rung von Sinti und Roma durch die Polizei gibt. Der Zentralrat Deut­scher Sinti und Roma fordert von den Landes­kriminal­ämtern eine um­fassende und un­abhängige wissen­schaftliche Auf­arbeitung der polizei­lichen Sonderer­fassung von 1945 bis heute.

(Text: Zentralrat)

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