Böller und Drohungen in Tulln: „Ihr sollt brennen!“

Juni 7th, 2023  |  Published in Rassismus & Menschenrechte

Wieder rassistische Vorfälle in Tulln  (Bild: Pixabay)Rassistische Vorfälle gegen Fahren­de in Tulln (NÖ). Vorsitzen­der des Volks­gruppen­bei­rats der öster­rei­chi­schen Roma Emmerich Gärtner-Horvath for­dert Maß­nahmen

Die NÖN berichten heute über zwei Vorfälle von Gewalt­drohungen gegen eine Gruppe fahren­der Sinti, die kürz­lich ihre Wohn­wagen­lager am südli­chen Messe­parkplatz in Tulln auf­ge­schlagen hatte. Die Gruppe war etwas früher und an an einem anderen Lager­platz als ur­sprüng­lich vorge­sehen ein­ge­troffen. Über die aktuellen Dro­hungen und den ki­lo­meterweit hörbaren Knallkörper schreibt NÖN-Re­dak­teur Tho­mas Peischl:

Wie schon seit Jahren stattet das fahrende Volk der Bezirks­haupt­stadt Tulln (NÖ) auch heuer einen Besuch ab. Und wie seit Jahren sorgt das für Auf­regung: [...] Bislang un­bekannte Täter [sollen] in den späten Abend­stunden des 1. Juni Böller in Richtung der Wagen­burg auf dem Messe­parkplatz bei der Süd­um­fahrung ge­worfen haben. Deren Detonations­lärm war im west­lichen Stadt­gebiet deutlich zu hören. Kurze Zeit später wurde ein Mit­arbeiter der Stadt­gemeinde Zeuge eines weite­ren Vorfalls. Ein Lenker eines Autos mit Tullner Kenn­zeichen drehte im Drift-Stil einige Runden. Dabei brüllte er aus dem ge­öff­neten Auto­fenster Richtung Sinti/Roma: „Ihr sollt brennen!“ Danach flüch­tete er mit über­höhter Ge­schwin­dig­keit Rich­tung Norden.

In einer ersten Stellungnahme der österreichischen Roma-Or­gani­satio­nen zeigt sich Emmerich Gärtner-Horvath, Vor­sitzen­der des Roma-Volks­gruppen­beirats im Bundeskanzleramt, entsetzt über diese Entwicklung und fordert umgehende Ermittungen:

Ich bin der Vorsitzende der Volksgruppe der Roma in Österreich und bin bestürzt, dass es zu solchen Vorkommnissen in Tulln kommt. Der oder die Täter müssen ausgeforscht werden, damit sie zur Rechen­schaft gezogen werden. Die Politik und die Polizei sind hiermit auf­ge­fordert, Maß­nahmen zu treffen, dass solche Vor­kommnisse nicht mehr geschehen.

FPÖ-Landtagsabgeordneter Andreas Bors (der 2014 durch Fotos mit Hitlergruß zu grö­ßerer Be­kannt­­heit ge­­langte) gießt der­weil weiter Öl ins Feuer und fordert ein hartes Vor­gehen gegen die Sinti-Fa­mi­lien. Er will ein rigides Camping­verbot nach Vor­bild von Dornbirn.

Die jüngsten Vorfälle ereigneten sich vor dem Hintergrund fortdauern­der medialer und poli­tischer An­griffe gegen fahrende An­gehöri­ge der Minder­heit der Sinti und Roma. In kam­pagnen­artiger Regelmäßigkeit wurde in den letzten Jahren und Monaten in Ober- und Niederösterreich Stimmung gegen campie­rende Familien gemacht, sei es in Wels, Linz oder in Tulln. An­gesichts dieses vor­sätz­lichen Schürens von Ressen­timents und Hass ist zu be­fürchten, dass sich die an­ge­spannte Stimmungs­lage wieder (siehe etwa hier, hier und hier) in folgen­schwe­reren Gewalt­akten ent­laden könnte.

Bereits im Juli 2020 war es in der Stadt zu bedrohlichen rassistischen Ereignissen gekommen, unter anderem zu einem Angriff mit einem Feuerwerks­körper (mehr hier und hier). Ein roma­feind­liches Hassvideo wurde damals auf Facebook verbreitet, unter anderem auch von einem steirischen FPÖ-Politiker (mehr hier).

Angehöri­ge der betroffenen Sinti-Familien selbst kamen in den Debatten übrigens nicht zu Wort, auch nicht im zitier­ten Artikel der NÖN.

(dROMa)

[Um die Stellungnahme erweitert um 15:30 Uhr, 7.6.2023]

Siehe auch:
Hassvideo: Staatsanwaltschaft will Auslieferung, 9.9.2020

Was ist in Tulln wirklich passiert?
, 20.8.2020
Causa Tulln: Wir zeigen an!, 20.8.2020
Hassvideo: Roma schließen sich Anzeige an, 14.8.2020
FPÖ Steiermark verbreitet Hassvideo, 27.7.2020

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