EKD: „Gemeinsam Antiziganismus bekämpfen“

Februar 4th, 2023  |  Published in Dokumente & Berichte, Geschichte & Gedenken, Rassismus & Menschenrechte, Religion

Evangelische Kirche in Deutschland (EKD)Erklärung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutsch­land (EKD) zur Zu­sam­men­ar­beit mit Sinti und Roma:

Anlässlich des 40. Jahrestages der Gründung des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma wollen wir als Evan­ge­lische Kirche in Deutschland die Arbeits­definition von Anti­ziganis­mus der Inter­natio­nal Holo­caust Re­mem­brance Alli­ance (IHRA) an­nehmen, um auch auf diese Weise unserer Zu­sam­men­gehörig­keit Aus­druck zu ver­leihen.

In der zentralen Passage der Definition heißt es: „Antiziganis­mus mani­festiert sich in indivi­duellen Äußerun­gen und Hand­lungen sowie institu­tio­nellen Politiken und Praktiken der Mar­ginali­sie­rung, Aus­gren­zung, physischen Gewalt, Herab­wür­digung von Kulturen und Lebens­weisen von Sinti und Roma sowie Hassreden, die gegen Sinti und Roma sowie andere Einzel­per­sonen oder Gruppen ge­richtet sind, die zur Zeit des National­sozialis­mus und noch heute als ‚Zigeuner‘ wahr­ge­nommen, stig­matisiert oder verfolgt wurden bzw. werden. Dies führt dazu, dass Sinti und Roma als eine Gruppe ver­meint­lich Fremder be­handelt werden und ihnen eine Reihe negati­ver Stereotypen und ver­zerrter Dar­stellun­gen zu­ge­ordnet wird, die eine be­stimmte Form des Rassismus dar­stellen.“

Gemeinsam mit Angehörigen der Minderheit von Sinti und Roma wollen wir der Dis­krimi­nie­rung im Alltag von Kirche und Gesell­schaft und gruppen­bezo­gener Men­schen­feind­lichkeit ins­gesamt ent­gegen­wirken. Dazu bedarf es der Aus­einan­der­setzung mit der bis in die Gegen­wart reichen­den Schuld­geschichte der Kirchen und der un­beding­ten kriti­schen Über­prüfung von theo­logischen und kirchlichen Denk­mustern und Prägungen.

Denn die Abwertung und Ausgrenzung von Angehörigen der Sinti und Roma hat eine Geschichte, die sehr lange zurück­reicht. Und nicht nur zur Zeit des National­sozialismus und des Völker­mordes an Sinti und Roma war die Evangelische Kirche daran be­teiligt, Men­schen zu verraten und der Ver­folgung und Ver­nichtung aus­zu­liefern. Die Schuld­geschichte er­streckt sich auch über die Jahr­zehnte danach, indem begange­nes Unrecht und das Leid der Opfer und ihrer Nach­kommen nicht wahr­genom­men wurden. Statt­dessen wurden auch in der Kirche antiziganistische Stereotypen unreflektiert weitergetragen und Menschen dadurch erneut und fort­während in ihrer Würde verletzt. Dass Sinti und Roma bis heute mit mas­sivsten Vorurteilen be­gegnet wird, mehr noch: dass ihnen struk­turelle Dis­kriminie­rung wider­fährt, wie der Bericht der von der Bundes­regierung ein­gesetzten Un­abhängi­gen Kommis­sion Anti­ziganis­mus zeigt, erfüllt uns mit Scham.

Umso dankbarer sind wir, dass inzwi­schen unsere Beziehun­gen gewach­sen und ge­stärkt wor­den sind. Dazu haben be­son­ders die intensive Arbeit des Netzwerkes „Sinti, Roma, Kirchen“ sowie die Begeg­nungen von Ver­tre­ter*in­nen des Rates der EKD und des Zentral­rates Deutscher Sinti und Roma bei­getra­gen. Das gemein­sa­me Gedenken des Rates der EKD mit dem Zentralrat und euro­päischen Verbänden von Sinti und Roma und dem Prä­siden­ten des Zentralrates der Juden in Deutsch­land, Dr. Josef Schuster, in Auschwitz an­lässlich des euro­päi­schen Holo­caust-Ge­denk­tages für Sinti und Roma wird eine beson­dere Erfahrung bleiben. Schließ­lich ist auch durch gemein­same Gottes­dienste und Gedenk­feiern in nicht allzu langer Zeit Ver­trauen ge­wachsen, auf das wir nun mit der Annahme der Arbeits­definition von Anti­ziganis­mus auf­bauen wollen.

Die Evangelische Kirche in Deutschland wird sich deshalb mit Projek­ten im Bildungs­bereich gegen anti­ziganis­tische Zerrbilder und für eine inklu­sive Praxis einsetzen. Dazu sucht sie weiter die Ko­ope­ration sowohl mit dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma als auch mit dem Netz­werk „Sinti, Roma, Kirchen“.

Darüber hinaus will die Evangelische Kirche in Deutschland die insti­tutio­nelle Parti­zi­pation von Sinti und Roma in Politik und Gesell­schaft nach Kräften unter­stützen.

Zudem nimmt die EKD weiterhin teil am bundesweiten Netzwerk „Sinti, Roma, Kirchen“ aus kirchlichen und reli­giösen Gemein­schaften sowie aus bundes­weiten und regiona­len Struk­turen von Sinti und Roma. Dabei geht es auch um die Aus­einander­setzung mit dem spezi­fischen kirchlichen Anteil an der Ver­folgungs­geschichte und an Anti­ziganismus in Ver­gangen­heit und Gegen­wart. Durch die Mitarbeit im Netzwerk sollen Ver­trauen, politischer Dialog und Zusammen­arbeit auf Augen­höhe ge­stärkt werden.

(Text: EKD)

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