Einstimmig: Roma-Gedenktag für Österreich

Januar 24th, 2023  |  Published in Einrichtungen, Geschichte & Gedenken, Politik

Parlament Wien (Foto: Manfred Werner/WikiCommons)Verfassungsausschuss: Ein­stim­mige Ent­schlie­ßung zur Ein­füh­rung eines natio­nalen Gedenk­tags für Roma und Sinti (2. Au­gust). Ab­ge­ord­nete auch für Eva­luie­rung des Voll­zugs der Min­der­hei­ten­schul­gesetze

Einstimmig hat sich der Verfassungsausschuss für einen Entschließungs­antrag der Koalitions­parteien aus­ge­sprochen, der darauf abzielt, einen nationa­len Gedenktag für Roma und Sinti ein­zu­führen. Konkret wird vor­ge­schlagen, jeweils am 2. August der unter dem NS-Regime ver­folgten und er­mordeten Roma und Romnja sowie Sinti und Sintizze zu gedenken. An diesem Tag werde bereits auf euro­päischer Ebene an die Holocaust-Opfer dieser ethni­schen Min­derheit gedacht.

Auch einen weiteren Entschließungsantrag der Koalitionsparteien, näm­lich eine Evaluierung des Vollzugs der Minder­heiten­schulgesetze und die Vorlage eines ent­sprechen­den Berichts an den Nationalrat, be­für­worteten die Ab­geord­neten einstimmig. Ebenso ein­hellig zur Kenntnis ge­nom­men wurden die Berichte über die Volks­gruppen­förderung des Bundes­kanzleramts für die Jahre 2018, 2019 und 2020. Ein Antrag der NEOS, die einen besseren Schutz der autochtho­nen Volks­gruppen fordern, wurde mit den Stim­men von ÖVP und Grünen vertagt.

Entschließung zur Einführung eines nationalen Gedenktags für Roma und Sinti

In der Begründung des Entschließungsantrags zur Einführung eines nationalen Gedenk­tags für Roma und Sinti (2723/A(E)) weisen ÖVP und Grüne darauf hin, dass die An­erken­nung und Ver­urteilung des Genozids für die Roma von großer symbo­lischer Bedeutung sei. Zudem sehen sie einen solchen Schritt als wichtigen Beitrag zur Bewusst­seins­bildung und zur Bekämpfung aller Formen von Dis­kriminie­rung, Roma-Feind­lichkeit und Anti­ziganismus. Der 2. August wurde ihnen zufolge dabei bewusst zum euro­päischen Gedenktag er­koren: In der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944 waren min­destens 3.000 Roma und Romnja sowie Sinti und Sintizze im Kon­zentrations­lager Auschwitz-Bir­kenau ermordet worden, wie etwa Eva Blimlinger (Grüne) be­leuchtete. Mit dem Antrag wird die Bundes­regierung zudem auf­gefordert, den Völkermord an den Roma und Sinti während des National­sozialismus als historische Tatsache an­zu­erkennen.

Es sei jedenfalls dringend geboten, den 2. August national als Gedenktag einzu­führen, so Blimlinger. Es brauche ein würdiges und inklu­sives Gedenken und der Gedenk­tag stelle einen wichtigen Schritt dazu dar. Bis heute gebe es zudem auch keinen zentralen Ort des Erinnerns für dieses Thema, stellte sie fest und meinte, es werde auch daran ge­arbeitet, einen solchen zu finden. Nikolaus Berlakovich (ÖVP) be­tonte, es sei wichtig, die Er­eignisse im Bewusst­sein zu halten. Es sei hoch an der Zeit, diesen schicksal­haften 2. August als Gedenktag an­zu­erkennen. Ebenso wie Ausschuss­vor­sitzender Wolfgang Gerstl (ÖVP) sprachen sich Blim­linger und Berla­kovich auf An­regungen etwa von Sabine Schatz (SPÖ) und Michael Bernhard (NEOS) dafür aus, bis zum Plenum den Antrag als gemein­same Initiative fraktions­über­greifend vor­zulegen. Gerade Roma und Sinti seien lange Zeit in der öffent­lichen Erinnerungs­kultur nicht be­rück­sichtigt worden. Umso wichtiger sei es, mit dem Gedenktag Auf­merk­sam­keit auf diese Opfer­gruppe zu legen. Ähnlich wie Blim­linger sprach sich auch Bernhard dafür aus, dass es über den Gedenktag hinaus auch einen Gedenkort brauche.

Evaluierung des Vollzugs der Minderheitenschulgesetze

Ein Anliegen ist den Koalitionsparteien auch die Evaluierung des Vollzugs der Minderheiten­schulgesetze und die Vorlage eines ent­spre­chenden Berichts an den Nationalrat (2724/A(E)). Ins­beson­dere sollen dabei das Angebot, die Kon­tinuität und die Qualität des Unterrichts in den Volks­gruppen­sprachen sowie die ein­schlägi­gen Unterrichts­materialien – unter Be­rück­sichtigung der Lehrpläne und der Kom­petenz­raster – unter die Lupe ge­nommen werden. Im Bereich der schulischen Bildung und der vor­schulischen Erziehung habe sich in den ver­gangenen Jahren sehr viel geändert, man müsse daher evaluieren, in­wieweit die Voll­ziehung der Minder­heiten­schul­gesetze mit der Entwicklung Schritt gehalten habe, wird die Initiative be­gründet.

Die Erhaltung und Weiterentwicklung der Sprachkompetenz, die sehr unter Druck sei, stehe dabei im Zentrum der Über­legungen, wie neben Eva Blimlinger (Grüne) auch Nikolaus Ber­lakovich (ÖVP) erläuterte. So sei der mehr­sprachige Unterricht zu be­leuchten, um daraus etwaigen Änderungs­bedarf ableiten zu können. Auch Christian Drobits sprach seitens der SPÖ Unter­stützung für den Antrag aus, gerade wenn es um die Stärkung der Sprach­kom­petenz gehe. Dem schloss sich Michael Bernhard (NEOS) an. Aus seiner Sicht gelte es darüber hinaus, bei der Evaluierung über die Volks­gruppen­grenzen hinaus zu denken.

NEOS für besseren Schutz der autochthonen Volksgruppen

In einem Entschließungsantrag (2693/A(E)), der im Ausschuss allerdings vertagt wurde, machen die NEOS geltend, dass die Ange­hörigen der sechs an­erkannten autochthonen Volks­gruppen in Österreich – der kroatischen, der slowenischen, der ungarischen, der tsche­chischen und der slowa­kischen Volks­gruppe sowie der Volksgruppe der Roma – zwar ver­schiedene indivi­du­elle Rechte hätten. Sie ver­missen aber kollektive Rechte und wollen den Volks­gruppen daher die Mög­lich­keit der Selbst­verwaltung in Form körper­schafts­recht­licher Orga­nisationen ein­räumen, argu­men­tierte Michael Bernhard (NEOS). Moderne und re­prä­sentative Organe könnten die eigenen An­gelegen­heiten dezentral besorgen, ihre Mitglieder beraten und vertreten sowie den Willen der Volks­gruppe nach außen artikulieren. Dafür brauche es ein ent­sprechendes Wahlsystem. Zudem müssten aus­reichende finanzielle Zu­wendungen für die Ver­tretungs­körper­schaften ge­währleistet sein. Auch eine Neukodifikation der verfassungs­rechtli­chen Volks­gruppen­rechte zur Sicherung des Bestands der Volksgruppen und zur Förderung ihrer Sprache und ihrer Kultur sind den NEOS ein Anliegen. Für jene Volks­gruppen, die keine „kör­perschafts­recht­liche Or­ganisation“ wünschen, sollen beim Bundes­kanzleramt weiterhin Volks­gruppen­beiräte eingerichtet werden, so der Vorschlag. Ins­gesamt sieht Bernhard in der Initiative einen wichtigen Ansatz, die Volks­gruppen­politik „in das 21. Jahr­hundert zu holen“.

Eva Blimlinger (Grüne) bezeichnete den Vorschlag zwar als begrüßenswert, verwies aber auf Forderun­gen für eine damit einher­gehende, generelle Neu­kodifikation im Volksgruppen­recht. Wie im Regierungs­über­ein­kommen verankert, werde daran auch gearbeitet, be­gründete sie den Antrag auf Vertagung. Wie Bern­hard erwähnt habe, würden nicht alle Volksgruppen den Vorschlag der NEOS befürworten, meinte Niko­laus Berla­kovich (ÖVP). Zentral sei für ihn etwa der Punkt, wie Wähler­ver­zeichnisse erstellt werden, zumal ein solcher Eintrag zugleich auch ein Bekenntnis und damit einen sensiblen Bereich darstelle. Bundes­ministerin Susanne Raab hob hervor, dass man sich unter den Volksgruppen auf drei zentrale Bereiche geeinigt habe, die wichtig seien, und zwar Förderung, Medien und Bildung. Es gelte daher auf jene Bereiche den Schwer­punkt zu setzen, die allen Gruppen gemeinsam wichtig seien. Wie Berla­kovich betonte Raab, betreffend Wähler­ver­zeichnis müsse auch dem Aspekt der Bekenntnis­freiheit Sorge ge­tragen werden.

Berichte über die Volksgruppenförderung des Bundeskanzleramts für 2018, 2019 und 2020

Jeweils rund 3,9 Mio. € haben die sechs anerkannten österreichischen Minderheiten unter dem Titel Volksgruppen­förderung des Bundes­kanzler­amts im Jahr 2018 (III-76 d.B.), 2019 (III-220 d.B.) sowie 2020 (III-575 d.B.) erhalten. Die meisten Förder­mittel gingen im Jahr 2020 wie schon in den Vorjahren an die slowenische Volks­gruppe (1.295.140 €; 32,64 %), gefolgt von der kroa­tischen (1.161.785 €; 29,28 %) und der tschechischen (549.475 €; 13,85 %). Ungarn und Roma erhielten 435.355 € (10,97 %) bzw. 406.800 € (10,25 %) der Förder­gelder, an die slowakische Minder­heit flossen 118.800 € (2,99 %).

Gesetzlich festgeschriebenes Förderziel ist es den Berichten des Bundes­kanzleramts zufolge, Sprache und Kultur der autoch­thonen Volks­gruppen als Zeichen der Vielfalt Öster­reichs zu erhalten. Förder­würdige Projekte in diesem Zu­sammen­hang gab es in den Bereichen Medien, Kultur, Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie Sport. Die Förderung von Sport­vereinen dient nicht zuletzt der Sprach­vermittlung bei Kindern und Jugend­lichen, wobei laut Bericht gerade in der tsche­chi­schen Volksgruppe auch gene­rationen­übergreifende Sportvereine eine beson­dere Rolle für den inneren Zu­sammen­halt bilden.

Neben der Strukturförderung bilden Zeitschriften und andere Druckwerke der Volks­gruppen generell meist einen Schwer­punkt bei ge­förderten Projekten. Die kroatische Volks­gruppe widmete rund zwei Drittel der Gelder aus der Förder­sparte Wissenschaft und Forschung im Jahr 2020 einem mehr­jährigen Projekt zur Erforschung und Erfassung aller bur­genlän­disch-kro­ati­schen Orts­dialekte.

Bundesministerin Susanne Raab berichtete darüber hinaus, dass die Volksgruppen­förderung mittler­weile auf 7,8 Mio. € erhöht und damit ver­doppelt worden sei, was einen Meilenstein dar­gestellt habe. Durch die Er­höhung konnte ihr zufolge eine nach­haltige Forderung der Volks­gruppen um­gesetzt werden. Ein­gesetzt wurde mit der Erhöhung auch das Prinzip der Wirkungs­orientie­rung, hob Raab hervor. Damit sollen nun­mehr Prioritä­ten von Maß­nahmen innerhalb der Volksgruppen trans­parent gemacht und nach­träglich die Wirkung der finan­ziellen Maß­nahmen be­leuchtet werden.

Eine grundsätzlich zeitnähere Vorlage der Berichte für den Ausschuss regten etwa Eva Blimlin­ger (Grüne), Christian Drobits (SPÖ) und Michael Bern­hard (NEOS) an. Zu den Wort­meldun­gen der Ab­geord­neten erörterte Bundes­ministerin Raab etwa gegenüber Blimlinger, dass 2019 in den Volks­gruppen­förderungen mit einigen Pro­jekten explizit der Fokus auf Frauen gelegt worden sei. Eine Diskussion über etwaige Index­anpassun­gen zur Teuerung betreffe alle Bereiche und sei aus Sicht von Raab daher als Gesamt­debatte zu führen. Auf Fragen von Drobits legte die Minis­terin unter anderem die Anteile an Personal­kosten in den För­derun­gen dar. The­matisiert wurde etwa auch der Schulverein Komensky, zumal sich Bern­hard er­kundigte, ob es Über­legungen gebe, diesen in den öffent­lichen Bereich zu über­führen. Sie sei natürlich auch in Kontakt mit der Volksgruppe und dem Bildungs­ministerium, so Raab. Gegen­über Nikolaus Ber­lakovich (ÖVP) erörterte sie zur Wirkungs­orientie­rung etwa, dass Projekte in der Umsetzung im gesam­ten Förder­zyklus bis hin zur Ab­rechnung die Wirkung mittels In­dikatoren in den Fokus rücken sollen.

(Text: Parlamentskorrespondenz/Pressedienst der Parlamentsdirektion)

Siehe auch:
Berlakovich: Volksgruppenbeiräte neu konstituiert, 13.8.2022
2. August: Grüne für Holocaust-Gedenktag
, 2.8.2022
Österreich: 2. August wird Roma-Gedenktag, 10.7.2022
Ein Roma-Mahnmal für Österreich
, 16.4.2022
Mandl und Schieder für Gedenktag am 2. August, 8.4.2022
Grüne für zentrales Roma-Mahnmal in Wien
, 1.8.2021

2. August bald offizieller Gedenktag?, 2.8.2018
Der blinde Fleck. Es ist Zeit: Österreich braucht ein Roma-Denkmal, in: dROMa 56 (2019)

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