Ein Roma-Mahnmal für Österreich

April 16th, 2022  |  Published in Geschichte & Gedenken

Hohes Haus: Übergabe des Positionspapiers der Roma-Volksgruppenverrteter:innen an Nationalratspräsident Sobotka (re.),  in der Mitte der Vorsitzende des Roma-Volksgruppenbeirats Emmerich Gärtner-Horvath vom Verein Roma-Service (Foto: Grüner Parlamentsclub)Genozid-Mahnmal für Roma und Sinti soll in Wien er­rich­tet wer­den: „Es gibt mitt­ler­weile bei allen po­liti­schen Par­tei­en ein Be­kennt­nis zum Mahnmal

DerStandard.at: Ein Mahnmal für den Porajmos, den Genozid an Roma und Sinti in der NS-Zeit, soll end­lich re­ali­siert wer­den. Roma- und Sin­ti-Ver­treter brach­ten am 7. April ihre For­de­rung ins Hohe Haus

[Tausende] Roma und Sinti wurden in Öster­reich während der NS-Dik­tatur er­mordet. Einen würdi­gen Ort des Gedenkens für sie gibt es aber 77 Jahre nach dem Ende des Nazi­terrors [in Wien, Anm. der Red.] immer noch nicht. Das soll sich nun end­lich ändern. Am Don­ners­tag, am Vor­abend des inter­natio­na­len Tages der Roma, wurde bei einer Feier im Par­lament ein in den letz­ten Mo­naten er­arbei­teter For­derungs­katalog ver­schiede­ner öster­reichi­scher Roma- und Sin­ti-Grup­pen über­geben.

In einem Jahr, am 8. April 2023, soll der Welt-Roma-Tag bereits bei einem be­stehen­den Mahnmal mitten in Wien statt­finden. Jeden­falls wenn es nach der Na­tional­rats­ab­geord­neten der Grünen und Gedenk­poli­tik-Spre­cherin Eva Blimlinger geht. „Es ist jetzt zu einer Eini­gung zwischen allen Grup­pen ge­kommen, was auch den Studieren­den, die das in die Hand ge­nommen haben, zu ver­danken ist“, sagt Blimlin­ger im Ge­spräch mit dem STANDARD. Konkret habe die Volks­hoch­schule Burgenland mit Gilda Horvath we­sentlich zum Gelingen bei­getragen, sagt Andreas Lehner, der die Forderun­gen für die Volks­gruppen über­geben hat, dem STANDARD. Auch die Hoch­schüler­schaft Öster­reichi­scher Roma und Romnja (HÖR) unter­stützt das Vorhaben. [Anm.: Dieses Positions­papier wurde schließ­lich im Parla­ment vom Vor­sitzen­den des Volks­gruppen­beirats Em­merich Gärt­ner-Horvath überreicht.]

Wichtig war allen Beteiligten, dass es ein zentraler Ort in der Bundes­haupt­stadt ist, im Gespräch waren etwa der Platz der Menschen­rechte oder der Ceija-Stoj­ka-Platz im sie­ben­ten, der Dr.-Karl-Lu­eger-Platz im ersten und das Alte AKH im neunten Bezirk.

Favorisierter Standort

Das Alte AKH wird von Blimlinger, die die Initiative mit ihrer Partei­kollegin, der Parla­menta­rierin Olga Voglauer, unter­stützt, klar favo­risiert. Denn dieser Ort sei nicht nur in der Nähe der erst vor eini­gen Monaten er­richte­ten Namens­mauer zur Erin­nerung an die jüdischen Opfer des Holocaust, der In­nen­hof des Alten AKH sei auch ein ge­schützter Ort für ein inter­aktives Denkmal, wie es von den Volks­gruppen ge­wünscht wird.

Es soll ein Ort der Be­gegnung, und Weiter­bildung sein, ein Ort, an dem man nicht aus­schließ­lich der Ver­gangen­heit gedenkt, sondern auch aktiv Anti­ziganis­mus in der Gegen­wart be­kämpfen kann.

„Ich kann mir auch QR-Codes vorstellen, die ins Netz zu Videos und Infos führen“, sagt Blimlin­ger. Als Sprachen soll­ten neben Romanes und Deutsch auch die der ande­ren Volks­gruppen, also Kroatisch und Slowenisch, ver­wendet werden.

Eine Bespielung des Gedenkorts auch im virtuellen Raum hätte auch den Vorteil, dass man Opfer­namen, die noch be­kannt würden, ergänzen könn­te. Denn Namens­tafeln sind im Falle der Roma und Sinti schwie­rig zu er­stellen und wären jeden­falls un­voll­ständig. „Das liegt daran, dass De­porta­tions­listen verloren ge­gangen sind“, er­klärt die Historikerin Blim­linger, die selbst 1998 bis 2004 Teil der Historiker­kom­mis­sion der Re­publik war, „außer­dem waren viele nicht sess­haft, und uns fehlen Melde­daten.“

Würde man im Zuge von Forschungen noch auf weitere Namen stoßen, könnte man sie virtuell nach­reichen, das sei „schwie­riger, wenn das in Stein ge­meißelt ist“, sagt Blim­linger. Sie sieht die Chancen dafür, dass nach der Über­gabe der Forderun­gen am 7. April die Finan­zierung durch Bund und Stadt Wien schnell auf­gestellt wird, als sehr gut. „Es gibt mittler­weile bei allen politi­schen Parteien ein Be­kennt­nis zum Mahnmal“, sagt die Politikerin, auch beim Koalitions­partner, sei sie sich sicher: „Der National­rats­prä­si­dent Wolfgang Sobotka ist hier sehr unter­stützend.“

Jury mit Volksgruppen

Für die künstlerische Umsetzung des Mahnmals soll ein Wettbewerb aus­ge­schrie­ben werden, deren Jury zur Hälfte von Fach­leuten und zur Hälfte von Volks­gruppen­ver­tretern be­setzt sein wird.

Etwa 3.000 [neuen Forschungen zufolge sogar zwi­schen 4.200 und 4300, Anm. d. Red.] der Roma und Sinti wurden am 2. August 1944 im Ver­nich­tungs­lager Auschwitz ge­tötet. Die Europa-Ab­ge­ord­neten Lukas Mandl (ÖVP) und Andreas Schieder (SPÖ) empfeh­len in einer ge­meinsa­men Aus­sendung, den 2. August des­halb künftig auch in Österreich zum Gedenktag für die in der NS-Zeit er­mor­deten Roma und Sinti zu erklären.

Wenn auch nicht alle Namen der verfolgten und getöteten Frauen, Männer und Kinder be­kannt sind, die Gräueltaten, die die Nazis ihnen antaten, haben einen Namen: der Porajmos, was auf Ro­manes „das Ver­schlingen“ be­deutet.

(Text: Colette M. Schmidt, DerStandard.at, 7.4.2022)

Wir danken der Autorin für die freundliche Genehmigung.

Siehe auch:
Grüne für zentrales Roma-Mahnmal in Wien
, 1.8.2021

Der blinde Fleck. Es ist Zeit: Österreich braucht ein Roma-Denkmal, in: dROMa 56 (2019)

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