Gerd Müller(†): Der Weltmeister und die Sinti
August 16th, 2021 | Published in Ehrungen & Nachrufe, Sport
Die deutsche Fußball-Legende Gerd Müller ist tot. Der 1945 geborene FC-Bayern-Star verstarb am Sonntag m Alter von 75 Jahren in München.
Mit dem deutschen Nationalteam wurde Müller 1972 Europameister, 1974 machte sein entscheidender Treffer im Finale Deutschland zum Weltmeister. In 62 Länderspielen erzielte er 68 Tore, bis heute ist er der dritterfolgreichste WM-Torschütze aller Zeiten. Mit seinem Stammklub FC Bayern München war Gerd Müller vierfacher Meister, vierfacher Cupsieger, vierfacher Europacup-Sieger. Siebenmal war er Torschützenkönig der Bundesliga. Seine Torbilanz von 365 Treffern in 427 Bundesligaspielen ist unübertroffen. Anfang der 1980er Jahre beendete er schließlich seine Profilaufbahn.
Was in den zahllosen Nachrufen in den Zeitungen heute nicht zu lesen sein wird: Mit den Sinti und Roma war die Sportlegende zeitlebens eng verbunden – so eng, dass er vielen Sinti beinahe als einer von ihnen galt. „Wir trauern um unseren Bomber Gerd Müller. Eine Legende mit einem Herzen eines Sinto“, so etwa Marcella Reinhardt vom Regionalverband Deutscher Sinti und Roma in Schwaben. Unsere Kolleg/innen vom Roma-Verein „Romanity“ in München sind den von Gerd Müller selbst gern geschürten Gerüchten über seine Herkunft vor einigen Monaten einmal nachgegangen:
Ist er’s? Ist er’s nicht? – Der „Bomber der Nation“ ein Sinto?
Eigentlich sollte es nur die Biografie eines seiner Fußballidole werden. Sein Buch über Gerd Müller entwickelte sich aber zu einem spannenden Krimi über Fußball, Geld, Politik und die Geschichte des Rekordmeisters Bayern München. Hans Woller, Historiker, widmet in seinem penibel und für Ballspiel-Verhältnisse sehr wissenschaftlich recherchierten Werk einige Seiten der Herkunft des wohl besten Torschützen der deutschen Fußballgeschichte.
Gerd Müller erblickte in Nördlingen kurz nach Kriegsende das Licht der Welt und stammt aus einer einfachen Arbeiterfamilie. Er wächst in ärmlichsten Verhältnissen auf und ist kein großer Fan der Schule, stattdessen kickt er lieber mit Freunden auf den heimischen Bolzplätzen. Darunter Freunde, die der Minderheit der Sinti und Roma angehören und nach dem Krieg in seiner Heimatstadt angesiedelt wurden. „Dazu zählte die weit verzweigte Familie Reinhardt, die ganz in der Nähe des Mietshauses der Müllers ein Anwesen erworben hatte. […] Es dauerte nicht lange, bis Müller im Hause der Reinhardts ein und aus ging. Er kannte keine Berührungsängste, wurde wie ein Familienmitglied behandelt.“
Ein besonderes Verhältnis entwickelte sich zur Schwester seines Kicker-Freundes, Laura Reinhardt. Sie wurde so etwas wie die erste Jugendliebe. „Die beiden gingen miteinander ins Kino und ins Schwimmbad und betrachteten sich als zusammengehörig. Es habe sich, so Laura Reinhardt, um eine «innige, aber nicht intime Freundschaft» gehandelt, deren emotionale Tiefe auch Jahrzehnte später zu spüren war […].“
Nicht wenige Stimmen interpretieren aufgrund dieser selbstverständlichen Nähe zu den Nördlingern Sinti, dass Gerd Müller selbst ein Angehöriger der Minderheitengruppe sei. In seinem dunklen Teint und Bemerkungen, die der „Bomber der Nation“ selbst gemacht haben soll, sehen viele die Spekulationen weiter befeuert. Einem Vertrauten soll er mal augenzwinkernd gesagt haben „Man wisse nie, ob nicht doch etwas dran sei“.
Der Buchautor wiegt einige Indizien, die dafür und einige die dagegen sprechen ab und kommt zu dem Schluss, dass erstere nicht stichhaltig genug sind, um etwas zu beweisen, hundertprozentig auszuschließen sei es aber auch nicht.
Eines jedoch ist sicher: Gerd Müller fühlte sich zu den Menschen stark hingezogen, suchte den Kontakt zu ihnen und ergriff bei Auseinandersetzungen in der Kleinstadt wohl auch Partei für sie. Ausschlaggebend war für den Weltmeister von 1974 das es Menschen sind, Menschen aus der Nachbarschaft, ganz normal eben.
(Text: Romanity)