Deutschland: Asyl und Abschiebungen von Roma

Mai 10th, 2021  |  Published in Politik, Rassismus & Menschenrechte, Recht & Gericht  |  1 Comment

Deutschland: Sichere Herkunftsstaaten, Asyl und Abschiebungen (Foto: MiG)Die nackten Fakten: Asyl und Abschiebungen von Roma im Jahr 2020

Bei der Entscheidung [Deutschlands], die sechs Westbalkan­staaten in den Jah­ren 2014 und 2015 zu siche­ren Her­kunfts­ländern zu er­klären, wurde die men­schen­rechtli­che Situa­tion der Roma dort ignoriert. War die Bleiberechts­situa­tion von Roma aus diesen Län­dern bereits zuvor nicht allzu gut, so be­deutet die Ein­stufung, dass ihre Asyl­anträge nun so gut wie immer ab­gelehnt werden. Zu­sätzlich führte sie zu einer weite­ren Stigmati­sie­rung von Roma als „Wirt­schafts­flüchtlinge“.

Bei den so genannten Westbalkanstaaten handelt es sich um Albanien und die post-ju­go­slawi­schen Länder Serbien, Montenegro, Bosnien-Her­ze­gowina und Nord­mazedonien so­wie Ko­sovo. 2020 lag die Gesamt­schutz­quote (Flücht­lings­schutz nach §3 I AsylG oder Ab­schie­bungs­verbot) bei 0,1% (Serbien, Nord­maze­donien) und 2,1% (Kosovo). Für die drei wei­teren Staaten liegen die Quoten zwi­schen diesen Zahlen.

Mehr als die Hälfte der Asylanträge, die von Menschen aus diesen Län­dern 2020 ge­stellt wurden, waren Folge­anträge und stam­men somit von Men­schen, für die das nicht der erste Antrag war. Bei allen postjugoslawischen Staaten sowie beim Kosovo sind selbst nach offiziel­len Zahlen die meis­ten Antrag­steller/in­nen Roma. Die Dunkel­ziffer dürf­te höher liegen, da viele Menschen aus Angst vor Dis­kriminie­rung nicht an­geben, Roma zu sein. 2020 gab es bei­spiels­weise 1.292 Asyl­anträge von Per­sonen aus Serbien, davon gaben 1.036 an, Roma zu sein. Nur einer dieser 1.292 Anträge führte zu einem Schutz­status nach §3 I Asylgesetz. Die an­deren wurden ent­weder als un­begründet oder offen­sicht­lich un­begrün­det abgelehnt oder ander­weitig erledigt.

Die Fraktion Die Linke hat in einer Kleinen Anfrage den Bundestag gefragt, wie viele Ab­schiebun­gen es 2020 gab. Ins­ge­samt waren es 10.800 Ab­schie­bun­gen, darun­ter Men­schen mit fol­gen­den Staats­an­ge­hö­rig­keiten:

Albanien: 1.006 Personen (davon 234 Minder­jährige)
Serbien: 754 Personen (davon 227 Minder­jährige)
Nordmazedonien: 427 Personen (davon 149 Min­der­jäh­rige)
Kosovo: 317 Personen (davon 62 Minderjährige)
Bosnien und Herzegowina: 173 Personen (davon 45 Min­der­jährige)
Montenegro: 110 Personen (davon 44 Minderjährige)

Nach Moldawien gab es zudem 654 Abschiebungen (davon 240 Minder­jäh­rige), nach Rumänien 340 und nach Bulgarien 106. Auch aus diesen Län­dern stam­men viele Roma.

Der Kleinen Anfrage lässt sich zudem entnehmen, dass trotz Corona über das Jahr 2020, mit Aus­nahme des Aprils, Sammel­ab­schie­bungen in die West­balkan­staaten statt­fanden, ob­wohl unter an­derem die Gesundheits­ver­sorgung für (ab­ge­scho­bene) Roma dort ka­tastrophal ist. Daher hatte das „Roma Center“ zu­sammen mit dem „Bundes-Roma-Ver­band“ von den Innen­ministe­rien der Länder sowie vom deutschen Bundes­innen­ministerium einen generel­len Abschiebe­stopp in der Corona-Pan­demie ge­fordert – ohne Erfolg.

Bekannt geworden war etwa die Abschiebung von Mire und Sali, einem älte­ren Roma-Paar, das fast 30 Jahre in Deutsch­land ge­lebt und seine gan­ze Familie hier hatte. Die beiden wurden aus Baden-Württemberg in den Kosovo ab­gescho­ben, obwohl sie chronisch krank waren. Sali ist vier Monate nach der Ab­schiebung ge­storben. Mire wurde danach die Wieder­einreise ge­währt.

Beispiele wie das von Mire und Sali stehen der Erzählung von Politiker/innen entgegen, dass vor allem Straftäter ab­gescho­ben würden. Allein an der An­zahl Minder­jähriger, die ab­ge­scho­ben wurden, sieht man, dass es sich viel­fach um Fa­mi­li­en mit Kindern handelt, darunter auch allein­erziehende Mütter mit Kindern.

Nach wie vor werden auch Men­schen abgescho­ben, die in Deutsch­land ge­boren wurden.. So wurden im Dezem­ber zwei etwa 20 Jahre alte Männer ab­geschoben, die in Göttingen ge­boren wurden und deren Familien hier leben. Eine 18-jäh­rige Romni, die ebenfalls in Niedersachsen ge­boren wurde, ist der Abschiebung nur entgangen, weil sie durch Zufall nicht zu Hause war, als die Polizei sie ab­holen wollte. Auch sie wäre allein abgescho­ben und in Serbien sich selbst überlassen worden. Die nieder­säch­si­sche Härtefall­kom­mission hatte sich eigent­lich dafür aus­gesprochen, dass die Familie einen Auf­enthalt be­kommt. Der Innen­minister je­doch lehnte diese Empfehlung ab.

(Text: Roma Antidiscrimionation Network/RAN, 5.5.2021)

Responses

  1. dROMa-Blog | Weblog zu Roma-Themen | Flugzeugcrew verweigert Abschiebung says:

    Mai 11th, 2021 at 11:29 (#)

    [...] [Siehe auch: Deutschland: Asyl und Abschiebungen von Roma] [...]