„They must be removed“
März 21st, 2019 | Published in Rassismus & Menschenrechte
Die „Manifeste“ der Rechtsterroristen: Was der Christchurch-Mörder und Anders Breivik über Roma schreiben
Das Pamphlet des Christchurch-Attentäters nimmt an einer Stelle auch explizit Bezug auf Roma. Schon der norwegische Rechtsterrorist Breivik hatte sich in seinem „Manifest“ 2011 mit Roma befasst: Er wollte sie nach Ostanatolien transferieren. Und auch deutsche und ungarische Terrorzellen nahmen in den letzten Jahren mehrfach Roma ins Visier.
Im sogenannten „Manifest“, der wirren, von Anspielungen durchzogenen Hetzschrift, die der Terrorist von Christchurch kurz vor seinem Blutbad an Dutzenden Muslimen in Umlauf brachte, kommt er in einer Passage auch explizit auf Roma zu sprechen. Unter der Kapitelüberschrift „Europe for Europeans“, schreibt der Australier in Neuseeland über die vermeintlichen „Invasoren“ auf der anderen Seite des Globus:
The invaders must be removed from European soil, regardless from where they came or when they came. Roma, African, Indian, Turkish, Semitic or other. If they are not of our people, but live in our lands, they must be removed. Where they are removed to is not our concern, or responsibility. Our lands are not their home, they can return to their own lands or found their homelands elsewhere. But they will not occupy our soil. How they are removed is irrelevant, peacefully, forcefully, happily, violently or diplomatically. They must be removed. (…) REMOVE THE INVADERS, RETAKE EUROPE. (S. 50)
„Die Essenz des Rassismus“
In der Aufzählung der „zu entfernenden“ Bevölkerungsgruppen werden die Roma an erster Stelle genannt. Wie andere „fremdrassige“ Gruppen sollen also auch die Roma, eine in Wirklichkeit seit 700 Jahren in Europa beheimatete Ethnie, aus Europa beseitigt werden – und zwar weil es sich um „Invasoren“ handle (nicht zufällig ein Begriff für Migranten, der auch zum semantischen Arsenal der Neuen Rechten gehört). In der zitierten Passage erblickt der deutsche Publizist Sascha Lobo „die Essenz des Rassismus“ (ab 14:30):
Das ist „White Supremacy“, und es ist eigentlich sogar noch eine Stufe über„White Supremacy“, weil es faktisch um Vernichtungsfantasien geht. (…) Hier ist ja „Entferntwerden vom europäischen Boden“ eine Botschaft, die ganz offensichtlich im Kontext des Anschlags betrachtet werden muss. Es geht also um angestrebten Massenmord. (…)
Auffällig ist hier, dass der Verfasser des Terrorpamphlets auf das zeitgemäße Wort „Roma“ zurückgreift, statt auf die alte Fremdbezeichnung „Gypsies“. Auch der Vierfach-Mörder von Oberwart, Franz Fuchs, hatte 1995 auf die Tafel, die er an der Sprengfalle befestigt hatte, „ROMA zurück nach INDIEN!“ geschrieben.
Das Christchurch-Schreiben beweist die geistige und begriffliche Nähe des rassistischen Massenmörders zur europäischen Neuen Rechten und der auch in Österreich und Deutschland aktiven „Identitären Bewegung“: „Besonders ausgiebige rhetorische und ideologische Überschneidungen liegen mit ‚neurechten‘ Gruppierungen wie der Identitären Bewegung (IB) vor. Schon der Titel des Manifests, ‚The Great Replacement‘, greift die maßgeblich von dieser popularisierte Figur des ,Großen Austauschs‘ auf“, heißt es hierzu etwa in einer ersten Analyse des DÖW.
Roma in Breiviks Pamphlet
Im 1500-Seiten-Konvolut des Rechtsterroristen Anders Breivik von 2011, das dem Christchurch-Mörder sichtlich als Vorbild diente, wurden Roma („gypsies“) etwa 20-mal erwähnt, meist im Rahmen ausschweifender (und inhaltlich weitgehend abstruser) historischer Exkurse. Das Roma-Thema nimmt im Pamphlet mit seinem monströsen Weltbild allerdings nur eine marginale Rolle ein, und den Ausführungen ist auch keine besondere Feindseligkeit zu entnehmen. Stattdessen wird das Thema ganz in ein antimuslimisches Narrativ eingepasst. Darin stellt der Massenmörder die Roma als von muslimischen Eroberern unterworfene, versklavte und verschleppte Hindus dar (S. 140f.), die später auf Kriegszügen gegen das christliche Abendland eingesetzt worden seien:
The Ottoman Caliphate kept hundreds of thousands of Hindu slaves which were instrumental in the military campaigns against Eastern Europe. (S. 1320)
Die jetzige Roma-Minderheit in Europa stamme daher von Roma-Sklaven ab, welche die abziehenden Osmanen nach der Belagerung Wiens 1683 (eine Jahreszahl, die übrigens auch beim Christchurch-Attentäter, Franz Fuchs oder den Identitären als geschichtsmythologisches Datum aufscheint) zurückgelassen hätten.
A majority of the Rom/gypsies are descendants of Hindu slaves brought to Europe through Hindu Kush by the Ottoman Caliphate. Approximately 100 000 Rom slaves were left behind after the Battle of Vienna in 1683. They were never invited by Europeans and are today resented by a great deal of Eastern Europeans for various reasons, their criminal behaviour being one. (S. 1307)
Um Gewalt oder gar einem neuen Völkermord an den Roma zuvorzukommen, sollten diese laut Breivik entweder völlig assimiliert werden oder (da sie nicht dazu bereit seien) in ein vom Islam „befretes“ „Homeland“ in Ostanatolien umgesiedelt werden:
A majority of Rom are unwilling to assimilate to European culture and norms. A realistic solution would be to give the Rom/gypsies a nation of their own as they are totalling approximately 5 million (Anm. d. Red.: eine Fantasiezahl – seriöse Schätzungen nennen 10 bis 12 Millonen Roma in Europa) individuals worldwide (with a majority living in Eastern Europe). They should be granted land in Eastern Anatolia after we liberate West/East Anatolia at the end of this century. Problem solved and a potential future genocide prevented. This option will be given to those unwilling to assimilate. (S. 1307)
Roma im Visier: NSU und Co.
Die Täter der deutschen Neonazi-Terrorzelle NSU („Nationalsozialistischer Untergrund“) hatten ebenfalls auch Roma und Sinti als mögliche Opfer im Sinn: So tauchte in ihren Listen mit potenziellen Terrorzielen auch der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg und dessen Dokumentationszentrum auf. Nach dem Vorbild des NSU versuchten deutsche Neonazis offenbar 2012, eine europäische Terrorzelle („Zweiter Frühling“) zu bilden. Diese Gruppe soll geplant haben, gezielt Anschläge gegen Roma zu begehen. Schon 2008 und 2009 verübte eine neonazistische Terrorzelle in Ungarn, die einige Parallelen zum NSU aufweist, eine Mordserie gegen Roma: Sechs Personen wurden ermordet, darunter ein vierjähriges Kind. 55 weitere wurden verletzt. Und auch beim (von Justiz und Behörden inzwischen auch offiziell als „rechtsextremistisch motiviert“ eingestuften) Anschlag im Olympia-Einkaufszentrum in München 2016 waren unter den neun Todesopfern drei Roma bzw. Sinti.
(Roman Urbaner/dROMa)