„They must be removed“

März 21st, 2019  |  Published in Rassismus & Menschenrechte

1683: Was der Terrorist von Christchurch auf seine Waffen geschrieben hat (Foto via Twitter/r_ckl_ss)Die „Manifeste“ der Rechts­ter­ro­ris­ten: Was der Christ­church-Mör­der und An­ders Brei­vik über Roma schreiben

Das Pamphlet des Christchurch-At­ten­tä­ters nimmt an einer Stelle auch ex­pli­zit Be­zug auf Roma. Schon der nor­we­gi­sche Rechts­ter­ro­rist Breivik hatte sich in sei­nem „Mani­fest“ 2011 mit Ro­ma be­fasst: Er woll­te sie nach Ost­ana­to­lien trans­fe­rie­ren. Und auch deut­sche und unga­ri­sche Terror­zellen nah­men in den letz­ten Jah­ren mehr­fach Roma ins Vi­sier.

Im sogenannten „Manifest“, der wir­ren, von An­spielun­gen durch­zo­ge­nen Hetz­schrift, die der Ter­rorist von Christ­church kurz vor seinem Blut­bad an Dutzen­den Mus­li­men in Um­lauf brach­te, kommt er in einer Pas­sage auch expli­zit auf Roma zu spre­chen. Unter der Kapitel­über­schrift „Europe for Euro­peans“, schreibt der Austra­lier in Neuseeland über die ver­meint­li­chen „Inva­soren“ auf der an­de­ren Seite des Globus:

The invaders must be removed from European soil, re­gard­less from where they came or when they came. Roma, African, Indian, Turkish, Semitic or other. If they are not of our people, but live in our lands, they must be re­moved. Where they are re­moved to is not our con­cern, or re­spon­si­bi­li­ty. Our lands are not their home, they can re­turn to their own lands or found their home­lands else­where. But they will not oc­cu­py our soil. How they are re­moved is ir­rele­vant, peace­ful­ly, forcefully, hap­pi­ly, violent­ly or diplo­ma­ti­cal­ly. They must be re­moved. (…) RE­MOVE THE IN­VA­DERS, RE­TAKE EUROPE. (S. 50)

„Die Es­senz des Rassismus“

In der Aufzählung der „zu ent­fer­nen­den“ Be­völ­ke­rungs­gruppen werden die Roma an erster Stelle ge­nannt. Wie and­ere „fremd­rassige“ Grup­pen sollen also auch die Roma, eine in Wirklichkeit seit 700 Jahren in Europa be­heima­tete Ethnie, aus Europa beseitigt werden – und zwar weil es sich um „Invasoren“ hand­le (nicht zu­fällig ein Be­griff für Migran­ten, der auch zum se­man­ti­schen Arse­nal der Neuen Rechten ge­hört). In der zitierten Pas­sage erblickt der deut­sche Publi­zist Sascha Lobo „die Es­senz des Rassismus“ (ab 14:30):

Das ist „White Supremacy“, und es ist eigent­lich so­gar noch eine Stu­fe über„White Supre­ma­cy“, weil es fak­tisch um Ver­nich­tungs­fanta­sien geht. (…) Hier ist ja „Ent­fernt­­wer­den vom euro­päi­schen Boden“ eine Bot­schaft, die ganz of­fen­sicht­lich im Kon­text des An­schlags be­trach­tet wer­den muss. Es geht also um an­gestreb­ten Massen­mord. (…)

Auffällig ist hier, dass der Ver­fasser des Terror­pam­phlets auf das zeit­ge­mäße Wort „Roma“ zu­rück­greift, statt auf die alte Fremd­bezeich­nung „Gypsies“. Auch der Vier­fach-Mör­der von Oberwart, Franz Fuchs, hatte 1995 auf die Tafel, die er an der Spreng­falle be­fes­tigt hat­te, „ROMA zu­rück nach INDIEN!“ ge­schrie­ben.

Das Christchurch-Schreiben beweist die geistige und be­griff­li­che Nähe des rassisti­­schen Massen­mörders zur euro­päi­schen Neuen Rechten und der auch in Österreich und Deutschland ak­ti­ven „Iden­titären Be­wegung“: „Be­son­ders aus­giebige rheto­rische und ideolo­gi­sche Über­schnei­dun­gen lie­gen mit ‚neurechten‘ Grup­pie­run­gen wie der Identitären Bewegung (IB) vor. Schon der Titel des Mani­fests, ‚The Great Replace­ment‘, greift die maß­geblich von dieser popu­la­ri­sierte Figur des ,Großen Aus­tauschs‘ auf“, heißt es hier­zu etwa in einer ers­ten Analy­se des DÖW.

Roma in Breiviks Pamphlet

Im 1500-Seiten-Konvolut des Rechtsterroristen Anders Breivik von 2011, das dem Christ­church-Mör­der sicht­lich als Vor­bild diente, wur­den Roma („gypsies“) etwa 20-mal er­wähnt, meist im Rahmen aus­schwei­fender (und inhalt­lich weit­ge­hend abstru­ser) histori­scher Ex­kurse. Das Roma-The­ma nimmt im Pam­phlet mit seinem monströ­sen Welt­bild aller­dings nur eine mar­gi­na­le Rolle ein, und den Aus­füh­run­gen ist auch keine beson­dere Feind­selig­keit zu ent­nehmen. Statt­dessen wird das Thema ganz in ein anti­muslimi­sches Nar­rativ ein­ge­passt. Darin stellt der Massen­mörder die Roma als von mus­limi­schen Erobe­rern unter­wor­fene, ver­sklavte und ver­schlepp­te Hindus dar (S. 140f.), die später auf Kriegs­zügen ge­gen das christ­liche Abend­land ein­gesetzt wor­den seien:

The Ottoman Caliphate kept hundreds of thou­sands of Hindu slaves which were instru­men­tal in the mili­ta­ry cam­paigns against Eas­tern Europe. (S. 1320)

Die jetzige Roma-Minderheit in Europa stam­me daher von Roma-Skla­ven ab, welche die ab­zie­henden Osma­nen nach der Belage­rung Wiens 1683 (eine Jahres­zahl, die übri­gens auch beim Christ­church-At­ten­täter, Franz Fuchs oder den Iden­titären als geschichts­mytho­lo­gi­sches Datum auf­scheint) zu­rück­ge­lassen hätten.

A majority of the Rom/gypsies are descendants of Hindu slaves brought to Europe through Hindu Kush by the Otto­man Cali­phate. Appro­xi­mately 100 000 Rom slaves were left be­hind after the Battle of Vienna in 1683. They were ne­ver invi­ted by Euro­pe­ans and are to­day re­sen­ted by a great deal of Eas­tern Euro­peans for va­rious rea­sons, their crimi­nal be­ha­viour being one. (S. 1307)

Um Gewalt oder gar einem neuen Völkermord an den Roma zuvor­zu­kommen, soll­ten diese laut Breivik ent­weder völlig as­si­mi­liert werden oder (da sie nicht dazu bereit seien) in ein vom Islam „be­fre­tes“ „Homeland“ in Ost­ana­to­lien um­ge­sie­delt werden:

A majority of Rom are unwilling to assi­mi­late to Euro­pean culture and norms. A rea­lis­tic solu­tion would be to give the Rom/gyp­sies a nation of their own as they are total­ling ap­proxi­mately 5 mil­lion (Anm. d. Red.: eine Fan­ta­sie­zahl – seriöse Schätzungen nen­nen 10 bis 12 Millonen Roma in Eu­ro­pa) indi­vi­duals world­wide (with a majo­rity li­ving in Eas­tern Europe). They should be gran­ted land in Eastern Anatolia after we libe­rate West/East Anatolia at the end of this cen­tury. Problem solved and a po­ten­tial future geno­cide pre­ven­ted. This op­tion will be gi­ven to those un­willing to as­si­milate. (S. 1307)

Roma im Visier: NSU und Co.

Die Täter der deutschen Neonazi-Ter­ror­zelle NSU („Natio­nal­so­zia­listi­scher Unter­grund“) hat­ten eben­falls auch Roma und Sinti als mög­li­che Opfer im Sinn: So tauchte in ihren Listen mit po­ten­ziel­len Terror­zielen auch der Zentral­rat Deut­scher Sinti und Roma in Heidel­berg und des­sen Doku­men­ta­tions­zentrum auf. Nach dem Vor­bild des NSU versuchten deut­sche Neonazis offenbar 2012, eine euro­päi­sche Terror­zelle („Zwei­ter Frühling“) zu bil­den. Diese Grup­pe soll ge­plant haben, ge­zielt Anschläge ge­gen Roma zu be­gehen. Schon 2008 und 2009 ver­übte eine neo­nazis­ti­sche Terror­zelle in Ungarn, die eini­ge Paral­lelen zum NSU auf­weist, eine Mord­serie ge­gen Roma: Sechs Per­sonen wur­den er­mor­det, darun­ter ein vier­jähri­ges Kind. 55 wei­tere wur­den ver­letzt. Und auch beim (von Justiz und Be­hör­den in­zwi­schen auch of­fiziell als „rechts­extremis­tisch moti­viert“ ein­gestuf­ten) An­schlag im Olym­pia-Ein­kaufs­zentrum in München 2016 wa­ren unter den neun Todes­opfern drei Roma bzw. Sinti.

(Roman Urbaner/dROMa)

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