Die unheilvolle Narbe

März 2nd, 2018  |  Published in Frauenrechte, Geschichte & Gedenken, Radio, Podcast & TV

Die unheilvolle Narbe (Bild: BR/Constanze Hegetusch)Lebenslinien: Sinteza Rita Prigmore über­lebt medi­zi­ni­sche Ver­suche der Nazis

Ein Film von Constanze Hegetusch
Bayerischer Rundfunk,  44 Min.

ARD-Mediathek: verfügbar bis 15.01.2019

Rita ist Zwilling. Doch ihre Zwillingsschwester stirbt bei me­di­zi­ni­schen Experi­men­ten durch die Natio­nal­sozia­lis­ten. Rita über­lebt schwer ver­letzt und wird ihrer Mutter zurück­gege­ben. Seite an Seite kämpfen sie für die An­erken­nung der Sinti und Roma als Opfer des Natio­nal­sozia­lis­mus und um Wie­der­gut­ma­chung.

Weil Ritas Mutter Sinteza ist, soll sie 1942 zwangs­sterili­siert wer­den. Als sich heraus­stellt, dass sie mit Zwillingen schwan­ger ist, wird sie ver­schont. So­fort nach der Geburt nimmt man ihr die bei­den Mäd­chen und miss­braucht sie für medizini­sche Versuche. Das eine Mäd­chen stirbt, Rita wird der Mut­ter nach einem Jahr zu­rück­ge­ge­ben – mit einer schwe­ren Ver­letzung am Kopf. Mutter und Toch­ter leben fortan ein symbio­ti­sches Leben. Als Rita 14 Jahre alt ist, grün­det ihre Mutter einen Verein, der für die An­erken­nung der Sinti und Roma als Opfer des Natio­nal­sozia­lis­mus kämpft und sich für Wieder­gut­ma­chung stark macht.

Auch Rita wird zur Aktivistin. Mit Anfang 20 ver­liebt sie sich in einen ameri­ka­ni­schen Solda­ten, der in Würzburg statio­niert ist. Sie heira­ten und be­kom­men zwei Kinder. Als er wieder zu­rück in die USA muss, geht Rita mit. Sie leidet jedoch sehr unter der Tren­nung von der Mutter. Die Ehe zer­bricht und Rita muss immer häu­fi­ger nach Deutschland, um für ihre ei­ge­ne Wieder­gut­ma­chung zu kämpfen. So ent­schei­det sie sich schwe­ren Herzens, die USA und ihre bei­den jugend­li­chen Kinder zu ver­las­sen und zur Mutter zurück­zu­zie­hen. Als diese 2004 stirbt, führt Rita die po­li­ti­sche Arbeit wei­ter. Sie tritt als Zeit­zeugin bei Ver­anstal­tun­gen in der gan­zen Welt auf. Sooft sie kann, fliegt sie zu ihren heute er­wach­se­nen Kindern und Enkeln in die USA. Als Oma wür­de sie so gerne die Zeit nach­ho­len, die sie als Mut­ter ver­säumt hat.

Lebenslinien-Autorin Constanze Hegetusch über ihre erste Begegnung mit Rita:

Es ist immer ein besonderer Moment für mich, die Pro­ta­gonis­ten meiner Filme das erste Mal zu Hause zu be­su­chen. Ich bin ge­spannt, wie sie ihre Um­ge­bung ge­stal­ten, welche Gegen­stände und Ge­wohn­heiten ihnen wich­tig sind. Bei Rita ist es zu­nächst das Aroma von frisch ge­brüh­tem Bohnen­kaffee, das mich be­son­ders char­mant in ihre kleine Wohnung in Würzburg führt. „Ich bin eine Kaffee­tante“, ver­rät sie mir. „Und ohne Musik brau­chen wir gar nicht erst zu be­gin­nen.“ Also stehen wir kurze Zeit später vor ihrer opu­len­ten Platten­samm­lung mit Swing und Cool Jazz aus den 40er und 50er Jahren, alles echte Rari­tä­ten aus der Samml­ung ihres Stief­vaters, eines ameri­ka­ni­schen GIs. Durch ihn lernte sie die coolen Tanz­bars der ameri­ka­ni­schen Solda­ten ken­nen, und Tanzen hat sie eben­falls von ihm ge­lernt. Davon gibt sie mir auch gleich eine Kost­probe, und ich soll mit­tanzen. Tanzen war Ritas Liebe und Leiden­schaft, das sieht und spürt man heute noch. Des­halb durfte auch eine Tanz­szene im Film über Rita nicht fehlen.

(Programminfo BR)

Comments are closed.