PEN-Literaturpreis an Samuel Mago

November 16th, 2016  |  Published in Ehrungen & Nachrufe, Literatur & Bücher

Samuel Mago bei der Preisvergabe in der Wiener Messehalle (Foto: WSNA/dROMa)Der „Roma-Literaturpreis des Österreichischen PEN – im Gedenken an Ceija Stojka“ wurde dieses Jahr an den noch jun­gen, erst zwan­zig­jäh­ri­gen Samuel Mago ver­lie­hen. Sein Talent ist ein Ver­spre­chen für die Zukunft: Er ist auf dem besten Wege, ein be­deu­ten­der Schrift­stel­ler, ein Roma-Schrift­stel­ler zu wer­den.

Begründung der Preisvergabe:

Samuel Mago, 1996 in Budapest geboren, in Wien aufge­wach­sen, drei­spra­chig (Ungarisch, Deutsch, Romanes), bil­dungs­hung­rig und für seine Volks­gruppe sowie überhaupt für alles Menschen­recht­liche höchst enga­giert, hat noch mit keinem großen, aus­gereif­ten und vom Leser rezi­pier­ten, reprä­sen­ta­ti­ven Gesamt­werk auf­zu­warten, aber er hat litera­ri­sche Spuren ge­legt und hinter­lassen, die zu ihm ge­führt haben und zu ihm führen kön­nen. Das war für mich 2015 der „exil-jugend-lite­ra­tur­preis“ für seine Kurz­ge­schich­te „Zeuge der Freiheit“, die mich auf­hor­chen ließ.

In einem von mir erbetenen und mir dann übermittel­ten Manuskript mit Kurz­geschichten bin ich dann den Weg zu ihm weiter ge­gangen, habe mich in seine Litera­tur hinein­be­ge­ben und mich darin ver­tieft. Und da bin ich auf et­was Seltenes und Selt­sames ge­stoßen. Das waren nicht ge­wohnte und ge­wöhn­li­che Erzählungen mit ge­wohn­ten Er­eig­nis­sen und Men­schen, denen ich da be­geg­net bin, son­dern es handelt sich stets um Außer­gewöhn­li­ches, dem man da be­gegnet. Nicht das Ge­wohnte, das Banale des All­tags oder des Lebens über­haupt wird zum Vor­schein gebracht und lite­ra­risch auf­berei­tet, son­dern es han­delt sich gerade um das Nicht-Augen­schein­li­che, um das nicht auf den ersten Blick Er­sicht­li­che und offen­sicht­lich Begreif­bare, das da ab­läuft, ge­schil­dert wird und uns be­gegnet.

Immer und immer wieder geht es um das anscheinend Neben­sächliche, in dem das Haupt­säch­li­che so neben­bei zum Vor­schein kommt, sich selbst zum Vor­schein bringt, sich ent­birgt; im Gewöhn­li­chen, im Gewohn­ten, im Alltäg­li­chen, im Bana­len. Das Beson­dere und somit Wesent­li­che liegt nicht so sehr im sicht­baren und leicht ver­folg­baren Ab­lauf der Ereig­nis­se, der Dinge und Men­schen, son­dern dieses Beson­dere ereig­net sich im Ver­bor­ge­nen, liegt so­zu­sa­gen sub­kutan, „unter der Haut“. So könn­te auch der Titel des ersten Prosa­bandes mit sol­chen Geschich­ten sein, an dem Samuel Mago ar­beitet und der in der Edition Exil bei Christa Stippinger heraus­kom­men wird. Auf das über­nächste Buch des Autors haben dann der Öster­rei­chi­sche PEN und der Löcker Verlag die Op­tion. Natür­lich geht es bei allem um das Per­sön­li­che, aber nicht im Sinne narziß­ti­scher Selbst­beobach­tung, son­dern um das vom Be­wuß­tsein der Zu­gehö­rig­keit zu sei­nem Volk, den Roma, und darüber hinaus mit sei­nen jüdischen Wurzeln mütter­licher­seits, um seine Zu­gehö­rig­keit zu einer Schick­sals­gemein­schaft; und nicht zuletzt um seine eigene Stig­ma­ti­sie­rung dadurch. Es geht ihm darum, seine Nächs­ten, sein eige­nes Leben, den Blick auf die Zu­kunft, seine eigene und die seiner Volks­gruppe, zu begrei­fen, zu schär­fen, den Weg zur Identifi­ka­tion seiner selbst, aber auch der Roma, hier vor al­lem der jungen Roma, zu hinter­fragen und Rich­tung zu weisen, sich selbst und seinem Roma-Volk – und dies in der Kon­stel­la­tion zur domi­nan­ten Mehr­heits­bevöl­ke­rung.

Ganz anders als bisher und wie gewöhn­lich wird also die­ser Preis nicht für eine bereits er­brach­te literarische Leis­tung, wo­mög­lich eine Lebens­leistung, vom Öster­rei­chi­schen PEN dem dies­jährigen Preis­träger auf meinen Vor­schlag und auf meine Nominie­rung hin ver­liehen, son­dern einmal als das, was meiner/un­serer Mei­nung nach ein Literatur­preis auch sein soll und sein kann: eine Preis­zu­erken­nung, ein Preis, dessen Verga­be­motiv die in den Preis­träger berech­tigt ge­setz­te Hoff­nung auf Er­brin­gung einer preis­wür­di­gen Leid­tung ist. Ein Preis am Beginn eines lite­ra­ri­schen Lebens­weges an­statt an sei­nem Ende. Warum auch nicht?! Das ist nicht nur eine Frage, son­dern zu­gleich meine/un­sere Be­grün­dung für die Ver­leihung des „Roma Literatur­preises des Öster­rei­chi­schen PEN 2016“ an Samuel Mago. Das be­deu­tet auch einen Auftrag an den Preis­träger Samuel Mago. Und der weiß es. Wir war­ten also auf sein erstes Buch und er­warten uns die Er­fül­lung unse­res An­spruchs durch ihn. Und wir sind uns der Er­fül­lung dieses litera­ri­schen Auf­trages ge­wiß. Wir gratu­lie­ren Samuel Mago sehr herz­lich zum „Roma Literatur­preis des Öster­rei­chi­schen PEN“.

(Text: PEN/Peter Paul Wiplinger)

Comments are closed.