Schweiz: Plätze für Fahrende werden knapper
September 30th, 2010 | Published in Politik, Rassismus & Menschenrechte
„Es wird zu einer Konkurrenz kommen“
Die Ausweisungen von Roma aus Frankreich könnte sich auch auf die Schweiz auswirken. Weil Roma in die Schweiz ausweichen dürften, werden die heute schon knappen Plätze für Fahrende noch knapper. Das Problem könnte im Frühling akut werden, sagte Daniel Huber, Präsident der „Radgenossenschaft der Landstrasse“ (Website), der Interessenvertretung der Schweizer Fahrenden. „Wenn die Roma im Frühjahr ihre Winter-Standplätze in Frankreich verlassen, könnten mehrere tausend von ihnen auch in die Schweiz reisen.“ Die Schweizer Fahrenden fordern eine rasche Reaktion der Behörden.
In der Schweiz ziehen in den Sommermonaten 3000 bis 5000 Fahrende umher. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Jenische, die aus dem deutschen Sprachraum stammen. Die Radgenossenschaft schätzt die Zahl der Jenischen in der Schweiz auf rund 35.000 – die meisten unter ihnen sind sesshaft. Im Gegensatz zu den Jenischen handelt es sich bei den Gruppen aus Frankreich hauptsächlich um Roma (Anm.: Roma, Sinti, Manouches). Huber räumt ein, dass es sich bei der Zahl möglicher Roma aus Frankreich um eine Schätzung handelt. Genaue Zahlen, wie viele Roma sich heute in der Schweiz befinden, liegen nicht vor. Schätzungen reichen von 30.000 bis 80.000. Die Volksgruppe werde so nicht erfasst, heißt es beim Bundesamt für Migration auf Anfrage. Hinweise auf Auffälligkeiten gebe es derzeit aber keine.
Kommen zusätzliche Fahrende, verschärft sich das Platzproblem in der Schweiz. Schon heute gibt es zu wenige Durchgangsplätze: „Es wird zu einer Konkurrenz unter den Fahrenden kommen, wenn Roma tatsächlich in großer Zahl in die Schweiz reisen“, sagt Huber im Gespräch mit der Nachrichtenagentur SDA. Die Konkurrenz könne beispielsweise dazu führen, dass Schweizer Fahrende ihre Standplätze früher verlassen würden und damit ihre Kinder schon Ende Februar oder im März aus der Schule nähmen, sagt Huber. Deshalb fordert er die Behörden auf, das bereits lange bestehende Problem fehlender Durchgangsplätze anzugehen. Es werde ein „Chaos“ geben, wenn für die zu erwartenden Roma keine Sanitäranlagen und Abfallcontainer bereitstünden. „Die Behörden sollten alte Militäranlagen oder Chilbi-Plätze zur Verfügung stellen.“ Dabei könne es sich auch um provisorische Einrichtungen handeln. Die Schweiz dürfe die Minderheit aber nicht ignorieren.
Die Forderung nach neuen Plätzen ist nicht neu, sie erhält jedoch Aufwind, wenn sich die Roma-Problematik verschärft. In der Schweiz fehlen laut einem Bericht des Bundes aus dem Jahr 2006 fast 40 Durchgangsplätze (Anm.: zu den rund 50 bestehenden). Zudem bräuchte es zehn große Plätze für ausländische Fahrende, die – wie die Roma – meist in größeren Gruppen von bis zu 50 Gespannen unterwegs sind. Allerdings haben es Vorhaben für neue Plätze schwer, im politischen Prozess zu bestehen. Grund dafür sind Vorurteile, aber auch schlechte Erfahrungen: Betreiber von Durchgangsplätzen berichten von Problemen mit ausländischen Fahrenden, wie der Bund in einem Bericht festhält. Vielerorts sind nur Schweizer und keine ausländischen Fahrenden zugelassen.