Lynchversuch gegen Roma-Familie in Polen
August 6th, 2010 | Published in Rassismus & Menschenrechte
Der Verband der Roma in Polen (Website) hat angekündigt, die Staatsanwaltschaft wegen eines Vorfalls in der südpolnischen Kleinstadt Limanowa, 80 km südlich von Krakau, einzuschalten. Eine Menschenmenge soll Ende Juli versucht haben, sich gewaltsam Zutritt zur Wohnung einer Roma-Familie zu verschaffen und einige Mitglieder der Familie zu lynchen. Dabei soll auch „Machen wir Schluss mit den Roma!“ gerufen worden sein. Nur das rasche Eingreifen der Polizei habe Schlimmeres verhindert; Verhaftungen wurden, wie der Roma-Verband anmerkt, jedoch keine vorgenommen. Dem Angriff soll ein Vorfall vorangegangen sein, bei dem Roma es angeblich zugelassen hätten, dass eine schwangere Frau von einem Hund angegriffen wurde.
Roman Kwiatkowski, Vorsitzender des Roma-Verbands, betont, dass die Roma-Familie aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit zum Ziel von Gewalt geworden sei. Die Regionalstaatsanwaltschaft in Krakau wurde über den Vorfall informiert und könnte für „Aufstachelung zum Hass gegen eine ethnische Minderheit“ Haftstrafen im Ausmaß von bis zu fünf Jahren fordern. Die Roma-Vertreter verlangen, dass der Fall einem Gericht außerhalb von Limanowa zugewiesen wird.
Der Bürgermeister der Stadt, Marek Czeczotka, sieht die bedrohten Roma als Kern des Problems und will die Familie, die zudem Mietschulden habe, in einer provisorischen Unterkunft unterbringen, wo aufgrund der Lage keine neuen Nachbarschaftskonflikte entstehen könnten – die Familie sei mit dieser Lösung einverstanden. Neueren Presseberichten zufolge weigert sich die 11-köpfige Familie aber, in einen viel zu kleinen Wohncontainer zu ziehen. Auch der Roma-Verband kritisiert die geplante Umsiedelung in einen Container am Stadtrand und zeigt sich besorgt, dass die Roma, unter ihnen einige Kleinkinder, dort eventuellen weiteren Angriffen viel hilfloser ausgesetzt seien. „Warten Sie nur, bis sie kommen und dort dann alles niederbrennen“, warnt Kwiatkowski.
Der Roma-Verband hat nun auch den Bürger- sowie den Kinder-Ombudsmann in einem Schreiben um Hilfe ersucht: „Der Konflikt zwischen den Einwohnern dieser kleinen Stadt hat einen rassistischen, nationalistischen und fremdenfeindlichen Charakter angenommen. (…) Die Aussagen der örtlichen Behörden von Limanowa, einschließlich jener des Bürgermeisters, wonach die eigentliche Ursache dieses Vorfalls das Verhalten einer Roma-Familie in der Siedlung sei, sind nicht richtig.“
Der Bürgermeister betont, dass es, abgesehen von der betreffenden Roma-Familie, keine Spannungen zwischen der Roma- und Nicht-Roma-Bevölkerung der Stadt gebe. Elzbieta Mirga-Wojtowicz, Leiterin des regionalen „Büros für nationale und ethnische Minderheiten“, bestätigt, dass normalerweise kaum Konflikte zwischen der Roma-Minderheit und der Nachbarschaft zu beobachten seien. Allerdings sei es schon vor rund sechs Monaten „zu einer ähnlichen Situation mit derselben Familie im selben Wohnblock gekommen.“ „Diese Familie hat Probleme wie andere Familien auch. Erst der Umstand, dass sie Roma sind, macht die Situation zu einer besonderen“, erläutert Mirga-Wojtowicz.