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Wie bunte Käfer

November 16th, 2024  |  Published in Einrichtungen, Medien & Presse, Wissenschaft, dROMa (Magazin)

Zwischen Gypsylorism und Wissenschaft: die Fachjournale der „Romani Studies“, Bild: Jakob Sturm (1826) / Smithonian LibrariesDie wissenschaftlichen Journale der „Romani Studies“


Was es an Fachzeitschriften über Roma alles so gibt und gab, lässt sich gar nicht so leicht über­blicken. Wir ha­ben es trotz­dem ver­sucht und die wich­tigs­ten Titel für Sie zu­sam­men­ge­tra­gen. Eine Über­sicht – vom alten Flagg­schiff aus dem 19. Jahr­hun­dert bis zu den jüngs­ten Neu­grün­dun­gen.

Die „Romani Studies“ sind ein bescheidenes Biotop in den Nischen zwischen den großen Dis­zipli­nen, zwi­schen Ethno­logie, Linguistik, Ge­schichte. Für das Publi­ka­tions­wesen bedeu­tet dies, dass sich die wenigen spezia­li­sierten Zeit­schriften gegen die Kon­kurrenz der anderen Fächer be­haupten müssen. Zudem macht der Roma-For­schung die Erblast ihrer rassisti­schen Geschichte zu schaf­fen. Ein Konflikt, der bis heute virulent ist, wie etwa die Polemik um die „Gypsy Lore Society“ be­weist.

Britischer Platzhirsch

An dieser kam, seit ihrer Gründung 1888, niemand vorbei, der sich wissenschaftlich für Roma interes­sierte. Hier war ver­sammelt, was in der „Zigeuner­forschung“ Rang und Namen hatte. Die Gelehrten und Hobby­forscher stürzten sich auf die Volks­gruppe wie Insekten­sammler auf exotisch schil­lernde Käfer. Allem „Rein­blütigen“, „Un­ver­fälschten“ jagten sie hinter­her, immer dem „echten Zigeuner­tum“ auf der Spur. Diese Haltung, in der romantische Begeis­terung und rassis­tische Prämissen ver­schmolzen, blickt einem auch aus den alten Jahr­gängen des Vereins­organs, des Journal of the Gypsy Lore Society (JGLS), ent­gegen. Spätere Kritiker prägten dafür einen eigenen, wenig schmei­chel­haften Begriff: „Gypsylorism“.

Nichtsdestotrotz legte das Journal „den Grundstein für das inter­diszipli­näre Forschungs­gebiet, das heute als Ro­ma­ni/Gypsy Studies bekannt ist“, betont der Roma­ni-Lin­guist Yaron Matras, der die Redaktion 1999 bis 2017 leitete. Ihm ist es zu verdanken, dass aus dem ver­staubten Perio­dikum ein modernes akade­misches Journal von Weltrang wurde. Doch diesen Richtungs­schwenk – und die Namens­änderung in Romani Studies – konnte die neue Redaktion 1999 nur mit Mühe durch­setzen. Eine Reso­lution des Vorstands, in der sich die Gesell­schaft erst­mals kritisch mit ihren Ursprüngen aus­einander­setzte, kam über­haupt erst 2016 zustande, und am traditio­nellen Namen „Gypsy Lore Society“ hält die alte Garde sogar heute noch fest, aller Kritik zum Trotz. Bei den Romani Studies ist allerdings derzeit ein Umbruch zu er­kennen. Read the rest of this entry »