„Ein erinnerungspolitischer Skandal“
Dezember 20th, 2023 | Published in Einrichtungen, Geschichte & Gedenken, Politik
Aussendung von Daniel Strauß zum bedrohten Sinti-und-Roma-Denkmal in Berlin
Der Verband Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Baden-Württemberg (VDSR-BW) möchte auf die besorgniserregenden Entwicklungen rund um das geplante Bauvorhaben der S 21 in Berlin, welches das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten und ermordeten Sinti und Roma bedroht, hinweisen. Dieses Denkmal hat eine immense Bedeutung für die deutschen und europäischen Sinti und Roma. Eine Entscheidung über ein Bauvorhaben von solcher Tragweite kann nur in enger Abstimmung mit den wichtigen Vertretungen der Sinti und Roma getroffen werden. Daher appelliert der VDSR-BW an die Notwendigkeit einer erneuten Konsultation und Einbindung der deutschen und europäischen Sinti und Roma.
Pressemitteilung vom 19.12.2023
Stellungnahme des Vorsitzenden des VDSR-BW und Ko-Vorsitzenden der Bundesvereinigung der Sinti und Roma (BVSR) zur aktuellen Situation um das Denkmal in Berlin
Seit 2020 bekannt wurde, dass die Deutsche Bahn – Nachfolgerin der Organisation, deren Züge unsere Angehörigen in den Tod deportierten – und der Senat von Berlin Pläne für ein Bauvorhaben (S 21) verfolgen, das das unweit des Reichstagsgebäudes gelegene Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten und ermordeten Sinti und Roma Europas, für das wir jahrzehntelang gekämpft haben, beschädigen könnte, setzen wir uns gemeinsam mit etwa 50 Organisationen der Sinti und Roma aus Deutschland und Europa gegen die Zerstörung eines würdigen Gedenkens ein. In zahlreichen Gesprächen der vergangenen Jahre, zuletzt am 28. September 2023, sicherten der Senat von Berlin und namentlich die Verkehrssenatorin eine Einbeziehung aller größeren Organisationen der Sinti und Roma zu, um einen für alle Betroffenen gangbaren Weg zu finden. Dieses Versprechen wurde nun gebrochen.
Die ohne weitere Aussprache oder auch nur Information erfolgte, am 16. Dezember 2023 bekannt gewordene Ankündigung aus dem Haus der Berliner Verkehrssenatorin, den Bau der S 21 trotz aller Absprachen ohne einen Prozess der Einbindung aller Betroffenen voranzutreiben, ist ein erschütterndes Zeugnis eines bislang ungeahnten mangelnden Bewusstseins für die Verbrechen des Nationalsozialismus in unserem Lande – und das unmittelbar sowohl nach der Bundestagsdebatte über die zweite Schuld der Bundesrepublik angesichts der verweigerten Anerkennung, des fortdauernden Antiziganismus und der anhaltenden Diskriminierung von Sinti und Roma am 14. Dezember 2023 als auch nach der Gedenkstunde im Bundesrat am 15. Dezember 2023, mit der an den Himmler-Erlass vom 16. Dezember 1942 erinnert wurde, der zur Deportation aller deutschen Sinti und Roma in Zügen der Reichsbahn nach Auschwitz-Birkenau führte und den Völkermord vollendete. Diese mangelnde historische Sensibilität ist ein erinnerungspolitischer Skandal.