Archive for August 22nd, 2016

Bettlerin soll 38.000 Euro Strafe zahlen

August 22nd, 2016  |  Published in Rassismus & Menschenrechte, Recht & Gericht

Schöne Grüße von der BH Bludenz?

Presseaussendung RA Schäfer (OTS) – Im Zeitraum 5.7.2016 bis 3.8.2016 wurde eine in Vorarlberg le­ben­de Frau, obdach­los, mit Euro 16.780,00 bzw. 322 Tagen Ersatz­frei­heits­strafe von der BH Bludenz bestraft. Ge­mäß einer un­bestä­tig­ten Mit­tei­lung über die Polizei­inspek­tion Feldkirch soll die­se Frau über Euro 38.000,00 an Ver­wal­tungs­strafen of­fen haben.

Überwiegend für das Betteln unter Mitführung eines Kindes bzw. we­gen Verstoß gegen die ein­deutig ver­fas­sungs­widri­ge Bettler­ver­ord­nung von Blu­denz (Bettelverbot auf 400.000 m²/ 24 Stunden/ 365 Tage im Jahr).

Am Samstag, 19.7.2016 wurde sie nur deswegen nicht in den Verwaltungs­arrest eingeliefert, weil sie ihr Kind noch stillt. Ver­wal­tungs­stra­fen müs­sen nach § 19 Ver­wal­tungs­straf­gesetz der Tat, der Schuld und dem Ein­kom­men an­ge­mes­sen sein. Die BH Blu­denz hat alleine im Zeit­raum 5.7.2016 bis 3.8.2016 diese Frau 36-mal mit je Euro 450,– bestraft. Eine Frau, die mit dem Ver­kauf von Straßen­zeitun­gen und Betteln ge­ra­de mal etwa 200,– pro Mo­nat zum Leben hat. Bestraft wur­de die Frau z.B. am 22.7.2016 sechs­mal und zwar ca. im 7-Minu­ten-Takt. In­wie­weit wurde hier eine Bestra­fung der Tat, der Schuld und dem Ein­kommen an­ge­messen fest­gesetzt?

Bludenz ist übrigens die einzige Gemeinde in Vorarlberg, in der seit Neues­tem für den Ver­kauf von Straßen­zeitungen eine „be­hörd­li­che Bewil­li­gung“ er­for­der­lich ist – unter Miss­ach­tung von § 47 Medien­gesetz, Art 13 Abs 2 Staats­grund­gesetz 1867, dem Be­schluss der Pro­vi­so­ri­schen National­ver­samm­lung vom 30. Okto­ber 1918 iVm dem Artikel 66 des Staats­ver­trags von St. Germain, Ar­ti­kel 6 des Staats­vertrags zu Wien so­wie Ar­ti­kel 10 Abs 1 EMRK. 22-mal wurde diese Frau auch des­wegen bereits be­straft, ob­wohl auch nach höchst­rich­ter­li­cher Rechtsprechung aus­drück­lich keine „be­hörd­li­che“ Be­wil­li­gung für den Ver­trieb von Zeitun­gen auf Straßen er­for­der­lich ist.

Die Meinung hier gibt die Rechtsmeinung des Autors wieder. Der Autor ist in mehreren Ver­fah­ren Rechts­ver­tre­ter dieser Frau.

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Sido, du hast es versemmelt

August 22nd, 2016  |  Published in Film & Theater, Musik, Rassismus & Menschenrechte

Sido singt erstmals über seine Sinti-Herkunft. – Schade, eine vertane Chance.

„Ich bin ein Sinti (sic) von Kopf bis Fuß/ Immer wenn ich diese Trom­meln höre, kocht mein Blut/ Ich bin ein Zi­geu­ner, Zi-Zi-Zigeuner“, singt Sido in seinem brandneuen Song. „Geuner“ lautet der Titel der neuen Single aus dem für Herbst an­ge­kün­dig­ten Al­bum. Das zu­ge­hö­rige Video ver­öf­fent­lich­te der 35-Jäh­rige am Don­ners­tag auf Youtube. Und es sorgt gleich für Auf­sehen: Bin­nen eines Tages wurde es mehr als 200.000 mal auf­ge­rufen, in­zwi­­schen sind es schon weit über 500.000 Klicks.

Bis­lang hat sich der Berliner nur sehr sel­ten über seinen Hin­ter­grund – seine Mut­ter ist Sintiza – geäußert (etwa hier­ oder hier). Dass er das Thema jetzt der­art pro­mi­nent auf­greift, ist bemerkens­wert und ver­dient Respekt. Dieses „Coming out“ eines der wichtigsten deut­schen Rapper hät­te auch durchaus das Zeug zu einem be­deu­ten­den Mo­ment ge­habt. Sido hät­te Sinti und Roma ein­mal ins rechte Licht rücken kön­nen – anders als dies ein res­sen­ti­ment­ge­la­de­ner BILD-Re­­dak­­teur auch machen würde. Und er hätte den Rassis­ten und ihren Kli­schees bei dieser Ge­le­gen­heit einmal in Rapper­-Manier so rich­tig in den Arsch tre­ten können. – Hat er aber nicht. Denn Sido war es anscheinend lieber, sich deren Vor­urteile zu­ eigen zu ma­chen, um seine ein­ge­ros­tete „Street Credibility“ mit Geuner-Gangsta-Ghetto-At­ti­tüde auf­zu­fri­schen. Und in Song­text und Video wim­melt es denn auch gerade­zu von alt­be­kann­ten „Zigeu­ner“-Kli­schees: Read the rest of this entry »