Räumung des besetzten Holocaust-Denkmals

Mai 24th, 2016  |  Published in Geschichte & Gedenken, Politik, Rassismus & Menschenrechte  |  5 Comments

Mahnmal in Berlin (Foto: Fabio Reinhardt)Stellungnahme der Stiftung Denkmal für die er­mor­de­ten Juden Europas:

Berlin – Besetzung des Denkmals für die im Na­tio­nal­so­zia­lis­mus er­­mor­de­ten Sinti und Roma Euro­pas aus Pro­test ge­gen dro­hen­de Ab­schiebung

Am Sonntag, den 22. Mai 2016, besetzten ab 16.30 Uhr bis zu 70 Per­so­nen das Denk­mal für die im National­sozia­lis­mus er­mor­de­ten Sinti und Roma Euro­pas, um ge­gen die Ab­schie­bung von Roma aus Deutsch­land in ihre als »sicher« gel­ten­den Her­kunfts­länder zu de­monstrie­ren. An­ge­hö­ri­ge der Min­der­heit sind ins­be­son­dere auf dem Balkan mas­si­ver Aus­gren­zung und Gewalt aus­ge­setzt. Unter den De­monstran­ten wa­ren et­li­che Roma­familien mit Kindern, die seit lan­gem in Deutsch­land leben und denen un­mit­tel­bar die Ab­schie­bung droht. Die Veranstaltung war polizeilich nicht genehmigt. Auch die Stif­tung Denk­mal für die er­mor­de­ten Juden Euro­pas, die das Denk­mal be­treut, war nicht in­for­miert.

Mehr als sechs Stunden verhandelten die Stiftung und An­ge­hö­rige der Minder­heit, die Polizei und Poli­tiker mit den Be­setzern. Zu­gleich be­müh­ten sich wei­tere Ver­tre­ter der Sinti und Roma aus ganz Deutsch­land – darun­ter Romani Rose, Vor­sitzen­der des Zentral­rats Deut­scher Sinti und Roma – in zahl­rei­chen Tele­fo­na­ten mit den Spre­chern der De­monstran­ten um Ver­mitt­lung. Schließ­lich wa­ren diese al­ler­dings nicht bereit, das Denk­mals­ge­län­de zu ver­las­sen. Vor­schlä­ge sei­tens der Polizei zu alter­na­ti­ven Ver­samm­lungs­orten in un­mit­tel­barer Nähe wur­den ab­ge­lehnt.

Vor allem weil unter den Teilnehmern Säuglinge und Kinder sowie kranke Frauen wa­ren, ent­schied die Stiftung ge­gen 24 Uhr in Rück­sprache mit Prof. Dr. Norbert Lammert, Bun­des­tags­prä­sident und Vor­sitzen­der des Kura­to­riums der Stiftung, die Besetzung durch die Po­li­zei be­en­den zu las­sen. Le­dig­lich eini­ge männ­liche De­monstran­ten leis­te­ten Wider­stand. Gegen 0.45 Uhr hiel­ten sich keine Per­so­nen mehr im Denkmal auf. An­zei­gen wegen Haus­friedens­bruchs wur­den be­wusst nicht er­stattet.

Die Stiftung zeigt sich solidarisch mit den Betroffe­nen und kri­ti­siert die gän­gige Ab­schiebe­praxis. Des­halb hat sie unter ande­rem das Bünd­nis für Soli­darität mit den Sinti und Roma Europas ini­ti­iert. Das Denk­mal für die im Natio­nal­sozia­lis­mus er­mor­de­ten Sinti und Roma Euro­pas ist ein Ort des Ge­den­kens an die bis zu 500.000 Opfer des Völ­ker­mordes und kein Platz für poli­ti­schen Protest. Dies wider­spricht der Würde des Ortes und ist ins­beson­dere auf Wunsch des Zentral­rats Deut­scher Sinti und Roma Deutsch­lands in der Be­sucher­ord­nung des Denkmals fest­ge­halten.

(Text: Pressemitteilung der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, 23.5.2016)

Anm. d. Red.: Die Stiftung entschied sich für ein polizeiliches Vorgehen gegen die Be­setzer. Folgt man den Aus­füh­run­gen der Presse­aus­sen­dung han­delte es sich also um eine Räumung aus huma­ni­tä­ren Gründen (aus Rück­sicht auf „Säug­linge und Kinder sowie kran­ke Frauen“) und um der Würde des Ortes zu ent­spre­chen. Die Bilder von der gewaltsamen Räumung je­doch zeich­nen ein weni­ger „huma­ni­tä­res“ Bild. Laut Mitteilung der Polizei wur­den zu­dem nach der Denkmal-Be­setzung drei Straf­anzeigen wegen Haus­friedens­bruchs sowie we­gen Wider­stan­des gegen Voll­streckungs­beamte ein­ge­leitet.

Responses

  1. hendrik says:

    Mai 24th, 2016 at 13:34 (#)

    Die Stiftung agiert widersprüchlich: sie erklärt sich jetzt nachträglich solidarisch mit den Menschen, deren Räumung durch die Polizei sie selbst “in Rück­sprache mit Prof. Dr. Norbert Lammert” mitten in der Nacht veranlasst hat.

  2. Richard Gauch says:

    Mai 24th, 2016 at 16:04 (#)

    “Dies wider­spricht der Würde des Ortes und ist ins­beson­dere auf Wunsch des Zentral­rats Deut­scher Sinti und Roma Deutsch­lands in der Be­sucher­ord­nung des Denkmals fest­ge­halten.”

    Romani Oskar Rose ist ein deutscher Sinto und ist seit 1982 Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma

    Romani Rose setzt sich für Gleichberechtigung der deutschen nationalen Minderheit der Sinti und Roma ein, für den Schutz aller Roma vor Rassismus und Diskriminierung sowie für die Aufklärung des Ausmaßes und des historischen Stellenwerts des Porajmos, des Völkermords an den europäischen Roma.

    Seit den 1970er Jahren widmete Rose sich intensiv der Bürgerrechtsarbeit für seine Minderheit. Ausgangspunkt war für ihn die Feststellung, dass der Antiziganismus “mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs … nicht aus den Köpfen verschwunden” sei und dass “sich die deutsche Politik mit ihrer Geschichte sehr schwer getan” habe. Das zu ändern habe bedeutet, als verfolgte Minderheit “sich das Bewusstsein für das Recht erkämpfen” zu müssen.

    Daher trat 1980 eine Gruppe Sinti auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau in den Hungerstreik, nachdem ihr vom bayerischen Innenministerium die Akteneinsicht in die Unterlagen der 1970 aufgelösten „Landfahrerzentrale“ verweigert wurde. Der Hungerstreik, an dem Romani Rose als Sprecher teilnahm, wurde zu einem weltweit beachteten Ereignis, das für das Gedenken an den nationalsozialistischen Völkermord, die Wahrung der Bürgerrechte und die Verbesserung der gesellschaftlichen Teilhabe der Minderheit in Deutschland ein wichtiger Anstoß war.

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    Deursche Sinit dürfen Protest in einer Gedenkstätte (Dachau) machen …
    … aber Roma vom Balkan dürfen es offensichtlich nicht .. (Berlin)

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    https://de.wikipedia.org/wiki/Romani_Rose

  3. Ridarov says:

    Mai 26th, 2016 at 15:14 (#)

    Zu ihre Stellung Name als Roma Organisation die Besatzung des Denkmals an über 500.000 ermordete Sinti und Roma: Was mich als Roma besonders stört die Vorwürfe die sie gegenüber die protestierende Roma als Besatzer des Denkmahls eure höhst heuchlerische Stellungnahme zu den verzweifelten Roma die seit Jahrzehnten für ein faires und vor allem fakten bezogenes asylverfaren Höfen werden seitens der Deutsche Regierung seit der 80 Jahre bis heute immer wieder asylverscherfungen durchgesetzt nur um die diskriminierest ,ausgegrenzte, verfolgte größte Minderheit Europas vom Asyl Gesetz zu entfernen wir wiesen das alle Asyl Verschärfungen bis heute nur ein Grund hätten die Roma Minderheit den recht auf Asyl zu ververen.Was machen sie als Roma Organisation in dieser aktuelle Situation sie rechtfertigen die gewaltsame Räumung als richtige was ist das für ein Kampf den sie für die Rechte von unsere Menschen führen wenn sie die selber worgenweisse haben wie die deutsche Regierung die Roma abschiebt grade wegen solche Organisationen von Roma die nur ihre eigene Interessen vertreten, können wir Roma nicht Schafen zu unsrem recht zu kommen. Es tut besonders weh wen die eigene Leute uns rauswerfen aus dem Ort wo sich endlich nach 70 Jahren die deutsche Regierung ein Denkmal für die ermordete Sinti und Roma gebaut hat .Außerdem nutzen sie nicht die Rede vom den Sprecher der protestierende das er sich nicht richtige artikulieren kann um die Situation der Roma in den Balkan Länder zu erklären sie als Roma Organisation und vor allem auch der Deutsche Regierung wiesen sehr gut wie es den Roma in den betreffende Länder geht nur es passt nicht in de abschotungs,ausgernzungs Politik der selber Regierung .Sohlen sie nur Lessen die Berichte von Menschenrecht Organisationen wie Amnesty international,UNHCR,Geselschaft für bedrohte volker,Helsinski Komitet.Aber dieser relevante beriechet werden ignoriert oder sohlen die noch besser die Richtlinien der Eu für die kumulative Diskriminierung und Abgrenzung diese sich immer wieder widerholen seit Jahrzehnten ist das ihre Meinung nach nicht asylrelevante Grunde???.

  4. Ridarov says:

    Mai 26th, 2016 at 15:50 (#)

    Wieso wird mein Kommentar nicht veröffentlicht? Haben sie Zensur wen ein Kommentar ihnen nicht passt??

  5. Redaktion says:

    Mai 27th, 2016 at 10:04 (#)

    Sehr geehrter Herr Ridarov,
    die hier wiedergegebene Stellungnahme stammt nicht von unserer NGO, sondern von der für das Denkmal verantwortlichen Stiftung. Dies geht aus dem Beitrag deutlich hervor. Diese Stellungnahme blieb von uns auch bewusst nicht gänzlich unkommentiert – ich bitte Sie, auch die redaktionellen Hinweise am Ende des Textes zu beachten. Zuvor hatten wir hier bereits die Pressemitteilung der IL Berlin veröffentlicht (und somit auch die Perspektive der Demonstranten wiedergegeben). Bezügl. Abschiebepraxis, Asylrecht, vermeintlich “sichere Herkunftsstaaten” etc. berichten wir regelmäßig und ausführlich und haben hierbei stets unmissverständlich Position für die Wahrung von Menschen- und Minderheitenrechten bezogen.
    Mit freundlichen Grüßen,
    dROMa-Redaktion